"Wir taten nichts Illegales"

■ Wie man mit einer Solaranlage im hessischen Zwingenberg von Amts wegen Papier produziert. Ein Konflikt zwischen Denkmalschutz und Umweltschutz

Eigentlich sollte die Anlage nur Strom produzieren, „jetzt haben wir hier schon kiloweise Papier“, sagt Ursula Heyden. Was nicht an einem Konstruktionsfehler der Solaranlage liegt, die die Familie Heyden im August letzten Jahres auf ihrem Hausdach in der Zwingenberger Altstadt installierte. Der Schriftverkehr zur Anlage ließ die Ordner in der Untergasse anschwellen. Wäre es nach der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises Bergstraße (Südhessen) gegangen, hätten Ursula und Heinrich Heyden ihre umweltfreundliche Einrichtung sogar wieder abbauen können. Begründung: Sie passe nicht in das „homogene Erscheinungsbild“ der Zwingenberger Altstadt-Dachlandschaft, die sich „infolge der natürlichen Alterung und Patinierung zu einem geschlossenen und harmonischen Bild“ füge.

Nach einem monatelangen Hickhack darf die Anlage nun doch auf dem Dach bleiben. Zwei Behörden, ein Rechtsanwalt, der Zwingenberger Magistrat, das Parlament, das Solar- und Energieberatungszentrum und zuletzt Vertreter des hessischen Umwelt- sowie des Wissenschaftsministeriums waren mit dem Fall beschäftigt. „Halb Zwingenberg lacht sich über diesen Aufwand kaputt“, macht Bürgermeister Kurt Knapp seinem Ärger Luft. „Immer wird von der Planungshoheit der Städte und Gemeinden gesprochen. Aber wenn man uns nicht einmal zutraut, über sechs Quadratmeter Solardach zu entscheiden, können wir das Buch zumachen. Die Anlage paßt besser als manches Dachfenster in das Altstadtbild.“

Vorgeworfen wurde der Familie Heyden, ihre Solaranlage „illegal“ auf das Dach ihres Hauses gesetzt zu haben, weil sie nicht eigens dafür eine Baugenehmigung beantragt hatten. „Davon hat uns aber auch nie jemand etwas gesagt“, sagt Heinrich Heyden. Die Stadt hielt so etwas auch nicht für nötig: Als die Heydens 1995 mit der Sanierung ihres Hauses begannen, stimmte der Magistrat sowohl der Dachneudeckung als auch der Installation der Solaranlage zu. Und der Kreis nahm das Projekt in das solarthermische Förderprogramm auf. Die Anlage wurde somit vom Land Hessen bezuschußt. „Wir hatten also nie das Gefühl, etwas Illegales zu machen.“

Doch im November 1995 – die Anlage war schon in Betrieb – erreichte die Familie Heyden ein Baustopp. Verfügt durch den Kreis Bergstraße. Bei einer Altstadtbesichtigung hatten Mitarbeiter der Unteren Denkmalschutzbehörde und des Landesdenkmalschutzes die Solaranlage entdeckt – und sie als störend befunden. Da das Haus in einem ensemblegeschützten Bereich liegt, wäre, stellte man fest, dafür ein Antrag nötig gewesen. Eine nachgereichte Baugenehmigung, wie sie das Amt forderte, wurde abschlägig beschieden: Die Anlage sollte vom Dach. Erst die Unterschrift des Kreis-Baudezernenten Egon Straub (CDU), die er gegen den Widerstand der Denkmalschutzbehörde unter den Bauantrag setzte, machte der ganzen Farce im September ein Ende. Peinlich: Mit über 100 geförderten Solaranlagen (Stand: 1995) gehört der Kreis Bergstraße in dieser Hinsicht zu den Vorzeigekreisen in Hessen. Nur im Main-Kinzig-Kreis steigt die Bevölkerung noch stärker auf diese alternative Energiegewinnung um. Eine Sache hat man jedoch im Bergstraßer Landratsamt bereits gelernt: Künftig werden Förderungsanträge für Solaranlagen vom Amt für Wohnungsbauförderung automatisch zur Prüfung an die Untere Denkmalschutzbehörde weitergeleitet. Der Konflikt zwischen Umweltschutz und Denkmalschutz ist für das hessische Umweltministerium nichts Neues. Auch in anderen Fällen habe es schon Schwierigkeiten zwischen einer Denkmalschutzbehörde und Privatpersonen gegeben, erklärte eine Pressesprecherin des Ministeriums. Voraussichtlich im Spätherbst soll eine gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium erstellte Broschüre veröffentlicht werden, die anhand von Fallbeispielen aus Nordhessen beweisen soll, daß sich Umweltschutz und Denkmalschutz sehr wohl ergänzen können.

Die Heydens sind froh, daß ihre Solaranlage oben bleiben kann – auch wenn man ihnen diesen Einsatz in Sachen Umweltschutz ziemlich vergällt hat. Zudem werden sie das Gefühl nicht los, daß es in ihrem Fall weniger um den Denkmalschutz als um „Prinzipienreiterei“ ging. Nicht nur, daß die Anlage in das Dach integriert und nicht einfach nur aufgesetzt wurde und damit „weniger hervorsteht als ein Dachflächenfenster“. Die Anlage erspare der Atmosphäre rund eine Tonne Kohlendioxid im Jahr. „Wenn man moderne Technik aus denkmalgeschützten Bereichen verbannt“, sagt Ursula Heyden, „führt das völlig ins Absurde.“ Ralf Ansorge