Rassismus in der Galerie

■ Mit der Schau „Fluchtwege“ will der Ausstellungsmacher Cornelius Hertz das Kunstpublikum mit Politik konfrontieren

Zwei Hände halten das gerahmte Hochzeitsfoto eines türkischen Paares. Erst beim genaueren Hinsehen erkennt man die Brandflecken auf dem Rahmenglas. Sie lassen das Kleid der glücklich lächelnden Braut schmutzig erscheinen. Irgendjemand hat das Bild aus den Trümmern des Mehrfamilienhauses in Solingen gezogen. Es ist das Haus, das rechtsorientierte Jugendliche 1992 in Brand gesetzt haben. Fünf türkische Frauen und Mädchen verbrannten.

Das, was in Solingen, aber auch in Mölln und Rostock geschah, hat der Bielefelder Fotograf Jürgen Siegmann dokumentiert. Trauer, Wut, Verzweiflung und Ohnmacht – festgehalten auf Schwarz-Weiß-Fotos. „Fluchtwege“ heißt die Ausstellung mit Fotos, einer Installation und Bildern gegen politische Verfolgung und Rassismus, die noch bis zum 29. November in der Galerie Cornelius Hertz zu sehen ist.

„Ich wollte die Frage der Menschenrechtsverletzungen in die Galerie holen und das Kunstpublikum damit konfrontieren“, sagt Cornelius Hertz. „Trotzdem habe ich bei der Auswahl der Arbeiten großen Wert darauf gelegt, daß der künstlerische Aspekt nicht unter den Tisch fällt.“

Fotografie, Malerei und Installation schaffen zugleich konkrete und abstrakte Zugänge. Neben Siegmanns beklemmenden Bildern deutscher Asylwirklichkeit erzeugen die Flüchtlingsportraits des Fotografen Leon Maresch eine stille, fast intime Atmosphäre. Ganz anders dagegen die den Fotos gegenübergestellten Ölbilder des in Lilienthal lebenden Owusu Ankomah aus Ghana. In seiner großformatigen und kraftvollen Malerei versucht Ankomah die Traditionen schwarzafrikanischer Kultur und westlicher Zivilisation zu vereinen. Und doch drücken seine expressiven und beeindruckenden Bilder in den für Afrika symbolträchtigen Farben Schwarz, Weiß und Rot Gefühle von Fremdheit und Entfremdung hierzulande aus.

Dagegen protestiert der vierte Ausstellungsteilnehmer, der Maler Anil Hossain aus Bangladesh, mit seinen Bildern gegen die korrupten Zustände in seiner Heimat. In seinem realistisch-naiven Stil stehen sich arm und reich gegenüber. Im direkten Vergleich zu den Arbeiten von Ankomah wirken Hossains Bilder allerdings plakativ-aufgesetzt.

Der Bremer Künstler Tom Gefken hat eigens für diese Ausstellung eine Installation geschaffen. Gefkens Themen – er verfremdet z.B. alte Fotos, indem er Gesichter mit Asphaltlack unkenntlich macht – sind Zerstörung, Gewalt und Einsamkeit.

Die Ausstellung wird ergänzt durch einen Vortrag über die Situation von Flüchtlingen in Bremen (14.11.) und Lesungen aus Afrika und dem Iran (21.11.), jeweils um 20 Uhr.

Beate Hoffmann

Bis zum 29.11. in der Galerie Cornelius Hertz, Richard Wagner Straße 22, Di-Sa 14 bis 19 Uhr.