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Die Welt im Koffer

■ Geräuschkünstler Hans-Walter Kramski zu Gast bei der Company

Der Herr, heißt es, schuf die Welt in sieben Tagen. So lange braucht Hans-Walter Kramski nicht. Wenn der 67jährige seine sieben Koffer öffnet, entstehen in Nullkommanix gleich mehrere Welten mit allen dazugehörigen Geräuschen. Weil Kramski das kann, verhält sich's bei ihm genauso wie beim Allerhöchsten: Gesehen haben ihn nur wenige, aber kennen tun ihn alle.

Hans-Walter Kramski ist einer von bundesweit etwa zehn Geräuschemachern, gilt international als Topman der Branche und ist bei Film und Fernsehen heiß umworben. Er machte die Geräusche zu allen Winnetou-Filmen, zur Schachnovelle, zauberte für die Augsburger Puppenkiste und Pumuckel, sorgte für die beklemmende akustische Spannung bei „Das Boot“ oder für die Geräuschkulisse in Wenders „Lisbon Story“. Zur Zeit gastiert er bei der Bremer Shakespeare Company, um dort sein Wissen an die Musikerin und Klang-Fachfrau des Ensembles, Lou Simard, weiterzugeben. Gemeinsam bereiten sie ein Experiment vor, das demnächst im Rahmen des Stückes „Die Comedian Harmonists“ zu bestaunen sein wird.

Zwei Koffer hat Hans-Walter Kramski mit nach Bremen gebracht. Darin befindet sich seine Grundausstattung: Reißverschlüsse, Würfelbecher, abgewetzte Schuhe, Gardinenstangen, Lederstrippen, Blechstücke, Plastikdosen, kurz, Dachbodenplunder und Schubladenhüter. Brauchen kann er alles, doch das wichtigste Instrument ist und bleibt sein Körper. Hände, Füße und Gebiß sind in Aktion, wenn er etwa einen galoppierenden Gaul imitiert. Ansonsten braucht er für einen kompletten Western nur noch einen Beutel mit Sand, Stein und Kies, ein Paar Sporen oder ähnliches aus Metall, einen Würfelbecher und einen Revolver. Das reicht. Der Fluß enstpringt dem Kran, das letzte Herzklopfen des Bankräubers einem alten Putzfeudel, den Kramski vor dem Mikro hin- und herzurrt. Herzklappenfehler sind eine pure Frage des Rhythmus.

Mit einfachsten Mitteln produziert er komplizierteste Geräusche. Kapitulieren mußte er nie. Seine schwierigste Aufgabe brachten ihm die Nibelungen-Szene, in der Siegfried mit seinem Schwert den Ambos durchschlägt. Der Waffenhieb war flugs auf Band gebannt, der klüftende Ambos verdankte sich einem Tauchsieder, zischend ins kühle Naß getunkt. „Man muß sich schon was einfallen lassen. Und das heißt lernen bis zum letzten Tag“, meint Kramski nicht ohne kritischen Seitenblick auf jüngere KollegInnen, die gern auf die akustischen Fertiggerichte aus Computerkonserven zurückgreifen. „Das wirkt so kalt“, moniert der Meister. Schließlich habe etwa der Gang eines Menschen einen ganz eigenen Charakter. An seinem Klang lasse sich Alter, Gemüt und sonstiges Befinden ablesen. Einmalig und furchtbar zu –vertonen' etwa sei der Gang von Götz George. Dieser schiebe seinen Oberkörper nach vorne, lange bevor er den Fuß überhaupt hebe. So etwas kann kein Computer imitieren, sagt Kramski, und schaut, stellvertretend für die ganze Zunft, zuversichtlich in die Zukunft.

Er beobachtet genau, ist Perfektionist. Schon, weil er selbst die Schauspielschule absolvierte. Ob einer falsch ausgebildeten Stimme blieb es bei überschaubaren Rollen. Er folgte dem Tip eines Kollegen und ging drei Jahre beim damaligen Geräuschemacher der Defa-Filme in die Lehre. Heute erkennt der 67jährige alle ernstzunehmenden KonkurrentInnen sofort, denn „jeder Geräuschemacher trägt seine eigene Handschrift.“

Noch eineinhalb Jahre will er machen, dann, versichert er, sei endgültig Schluß. Seine Augen sprechen eine andere Sprache. Sie leuchten auf, wenn er der company vorführt, wie er einen Theatervorhang (akustisch) öffnet, indem er die Nase schnäuzt. Oder wenn er mit den Ensemble-Mitgliedern erste Ideen zur Aufführung der Comedian Harmonists erörtert: Wie jene sechs Musiker im Berlin der Goldenen Zwanziger werden sich Hans-Walter Kramski und Lou Sinard auf die Suche nach dem perfekten Klang begeben, um auf diese Weise Innenwelten von Figuren sichtbar zu machen, die durch Worte kaum erschlossen werden könnten.

Dora Hartmann

Am Sonntag um 11 Uhr im Theater am Leibnizplatz: Buffet & Matinee, mit einer Lesung aus Eberhard Fechners „Comedian Harmonists“.

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