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Hauptsache positiv

■ Die verbotensten Filmemacher der Schweiz lesen im Lagerhaus

„Kultur muß positiv sein!“ beschloß ein Züricher Richter, als er ein Urteil darüber zu fällen hatte, ob die Macher des dreißigminütigen Video-Lausbubenstreichs „Blutgeil“ bestraft gehören. Daß in dem Amateurfilmchen Polizisten von einer Bande Hausbesetzer getötet, gekocht und gegessen werden, fand er nicht positiv. So wurde das Mastertape offiziell vernichtet und die beiden hauptverantwortlichen Künstler namens Ärger und Seelenlos vor die Wahl zwischen Geld- und Gefängnisstrafe gestellt. Seitdem touren sie durch die Schweiz und das benachbarte Ausland, um mit ihrer Band „Der kleine Hirnfick“ verstörenden Krach zu machen oder als Slam-Poeten Poesie vorzutragen oder von ihrem Leidensweg als Gesetzlose zu berichten. Zu einer Bremer Lesung finden sie sich am Donnerstag im Lagerhaus ein.

Ohne die Strafe aufzuheben, hat das Gericht inzwischen erklärt, daß Kultur doch nicht positiv sein müsse, aber mehrheitsfähig. Ob Ärger und Seelenlos in Bremen mehrheitsfähig sein werden, bleibt abzuwarten, denn was sie vorlesen, weiß man vorher nie genau. Herzhaftes Lachen und kopfschüttelndes Saalverlassen sind häufige Reaktionen auf ihre Performances. Neben Fiktivem wurde zu früheren Anlässen witzig und detailliert der planlose Polizeigroßeinsatz zur Beschlagnahmung des „Blutgeil“-Videos sowie der anschließende gerichtliche Hickhack verbalisiert, wobei die Manuskripte nicht nur aus der eigenen Feder stammen. Zur größten Belustigung führte oft das Vortragen der Anklageschrift, in der Gedärme schon mal „verzerrt“ statt „verzehrt“ werden. Außerdem haben die Künstler Anekdoten über Philip mit der Jesus-Tätowierung im Repertoire, einen „Blutgeil“-Fan aus dem christlichen Wohnheim, der Ärger und Seelenlos für das größte seit Jesus hält und aus Verehrung gleich bei ihnen einzog.

A. N.

7.11., 20 Uhr im Lagerhaus

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