Das Haßding Heizung

■ Marion Thomaneck ist Bremens erste Schulhausmeisterin / „Jobklau“, meinten Kollegen

arion Thomanecks derzeit größter Wunsch ist ein Laubsauger. Denn Sisyphusarbeiten wie Blätterrechen an windigen Tagen sind ihr ein Greuel. Zur Harke greift sie trotzdem. „Ich hab's hier ordentlich“, betont die Frau, zu der kürzlich ein Kollege meinte, sie würde einem Familien-ernährer den Job wegnehmen. Sie, als Frau. Marion Thomaneck ist Hausmeisterin in der Grundschule Burgdamm in Bremen-Lesum, unter politisch Bewußten die Ausnahme im „Männerberuf“.

„Ich bin aber nicht radikal oder emanzig“, grüßt die große blonde Frau aus ihrem Büro mit der Herzlich willkommen-Girlande am Fenster. Kann der Kollege heute mal die Post verteilen? „Wir beißen nicht, auch wenn wir weiblich sind“, winkt Marion Thomaneck ihn zu sich ins Zimmer und raunt hinterher: „Man muß sich ja doch ein bißchen rar machen. Wenn die Kollegen neidisch sind, grinse ich inzwischen in mich hinein.“

Marion Thomaneck ist binnen kurzer Zeit zum Shooting-Star der Bremer Frauenszene avanciert. Ihr Aufstieg führte sie von der Raumpflegerin im Öffentlichen Dienst zur Meisterin mit Schlüsselgewalt. Möglich machte es eine Weiterbildungsaktion der Behörde, die nicht wußte, was mit den behördlichen Raumpflegerinnen geschehen sollte, als der Raumpflegebereich privatisiert wurde. Fünfzehn Frauen setzten sich ein halbes Jahr lang selbst auf die Schulbank, um Verwaltungsangestellte oder Hilfshausmeisterin zu werden. Marion Thomaneck wurde beides und war außerdem nach einem halben Jahr als Hilfsfrau bereits die Chefin in der Grundschule Burgdamm. Die erste von inzwischen sechs Bremer Hausmeisterinnen.

Bremens SPD-Frauen/ Arbeitskreis „Schafferinnen“ sind begeistert, die Frauenbeauftragte propagiert in der Behörde einen Wiederholungslehrgang – und Frau Thomaneck sagt: „Ich habe nur unter den gegebenen Umständen das Optimale für mich erreicht.“ Die Umstände haben sie früher oft so eingezwängt, daß sie dachte: Frausein ist Scheiße. Mit einem Wirtschaftsabitur in der Tasche bekochte sie den Ehemann und die drei Kinder und ging dann los, um als Raumpflegerin „dazuzuverdienen“.

„Aber als Raumpflegerin haste ja nie ein Erfolgserlebnis – und schreiben Sie ja nicht Putzfrau, da regen sich meine Kinder auf.“ Meeresbiologin wäre Marion Thomaneck gerne geworden, und als dann auch noch die Quadratmeter-Erhöhung auf sie zukam, sprach sie ihr damaliger Rektor auf ihre finstere Miene beim Saubermachen an. Die Zufälle reihten sich aneinander, die 37jährige lernte Erste Hilfe und Lohnstundenzettel ausfüllen und nahm letztendlich auch noch ihre höchste innere Hürde: die Heizung.

„Das war mein Haßding. Du mußt Entlüften lernen, immer darauf achten, daß der Tank voll genug ist, die Schaltuhr richtig einstellen, ach ja.“ Lernste alles, hat Frau Thomaneck erfahren, die in ihrer Freizeit gerne Tischdecken und Gardinen häkelt. Jetzt betreut sie die Schulwaschmaschine, verteilt Kaba, verarztet blutende Finger, holt Kinderschuhe vom Schulhausdach, hat die Energiekontrolle und die Schlüssel in ihrer Hand. Das alles spielt sich zwischen sechs Uhr morgens und zehn Uhr abends ab. Oder in den Herbstferien, „da haben mir die doch glatt die Eingangstür der Turnhalle zerschossen. Da bin ich jede Stunde Patrouille gelaufen.“

Das sind dann die Momente, in welchen Marion Thomaneck ein bißchen auch die Frauen beneidet, die im heimischen Garten arbeiten oder Kuchenrezepte ausprobieren. Es hat sich schon einiges verändert in ihrem Leben. „In der Taille hab ich zugenommen, man sitzt ja mehr. Und was hab ich ein Kreuz vom vielen Fegen und Schneeschippen gekriegt! Wo ich doch sowieso schon so kräftig bin.“ Zu Hause hat die einstige Hausfrau mit dem Mann die Rollen getauscht, er ist arbeitslos. „Ich ernähre also selbst eine Familie.“ Dem Kollegen, der die Hausmeister“in“ so beschimpfte, hat sie das aber nicht erzählt.

Lieber boxte sie sich durch. Und ist sie denn nun emanzipiert? „Das heißt doch ,gleichgestellt'? Das bin ich wahrscheinlich“, vermutet die Meisterin. Der Hausmeister der Nachbarschule meinte kürzlich zum Rummel um Frau Thomaneck: „Einen Laubsauger bekommst du deswegen auch nicht schneller.“ sip