Karstadt jetzt auch im Cyberspace

■ Der Kaufhauskonzern probt mit Hilfe des Massachussetts Institute of Technology den Einkaufsbummel der Zukunft

Vergangene Woche hat der Karstadt-Konzern eine neue Filiale eröffnet. Anders als die übrigen 120 Karstadt-Häuser befindet sie sich nicht in der Fußgängerzone in einer deutschen Innenstadt, sondern im Internet. Sie heißt „My- World“ und bietet mit den Unternehmen Sega, IBM, T-Online, der Optimus Bank und Nintendo zusammen ein Web-Sortiment für die vorwiegend als jung und männliche identifizierte Zielgruppe der Internet-User: Computerprogramme, Fun-Sport-Artikel, CDs oder Unterhaltungselektronik. Ein Computer errechnet am Ende des Einkaufs den fälligen Betrag, geliefert wird per Nachnahme, gegen Rechnung oder Kreditkarte – eine Karstadt-Sprecherin verspricht, daß die Ware innerhalb von 48 Stunden ins Haus kommt.

Laut Statistik geben die Deutschen pro Jahr 500 Mark für Waren aus dem Versandhandel aus. My-World will nun die Vorzüge des Katalogkaufs mit sogenanntem Erlebnisshopping verbinden. Multimedial wird deshalb schwer auf die Pauke gehauen: Java Applets, Real-Audio-Sounddateien und aufwendige Frames sollen aus dem Einkauf Entertainment machen. Das Suchen auf der My- Way-Site ist darum eine langwierige Sache, weil die meisten Pages so aufwendig gestaltet sind, daß sie oft Ewigkeiten brauchen, um sich aufzubauen. Für die Programmierung hat sich Karstadt von Experten aus Nicolas Negropontes „Media Lab“ der Bostoner Elite-Universität MIT beraten lassen – das Kaufhaus gehört zu den „Fellows“, die als Gegenleistung für ihre Spenden exklusiv über Forschungsergebnisse des Media Lab informiert werden. My-World will seine Kunden mit einem gewissen Maß an Interaktion persönlich an sich binden: Es gibt Chat Rooms, und man kann E-Mail an die My- World-Redaktion schicken. 70 Programmierer haben My-World entwickelt, jetzt gestalten 12 Redakteuere die Seiten, und die Bestellungen werden von der Karstadt-Tochter Neckermann abgewickelt.

Nach Angaben der Presseabteilung haben sich schon am ersten Tag nach der Eröffnung 20.000 Internet-Surfer auf der My-World- Site umgesehen, und es waren 100 Bestellungen eingegangen. „Wir brauchen My-World genauso wie unsere modernen Warenhäuser“, sagt Karstadt-Vorstand Klaus Eierhoff. Irgendwann vielleicht auch als Ersatz für die Innenstadtgeschäfte, die schon jetzt immer mehr auf die grüne Wiese auswandern? Der Schritt in den Cyberspace wäre nur konsequent: My- World braucht weder Geschäftsräume noch Verkaufspersonal. Tilman Baumgärtel

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