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Offline illegal, online illegal

■ Die Kommission der Europäischen Union fordert internationale Vereinbarungen gegen Kriminalität im Internet - Einzelaktionen von Staatsanwälten sind sinnlos

Am 28. November wollen sich die für Telekommunikation zuständigen Minister der Europäischen Union treffen, um über ein Thema zu sprechen, das auch die Fachkompetenz ihrer Sachbearbeiter regelmäßig überfordert: Kriminalität im Internet. Beschlüsse sind nicht zu erwarten, wohl aber die Feststellung gewisser Lernerfolge. Die Kommission der EU hat den Politikern Papiere auf den Schreibtisch gelegt, die zwar keine digitalen Visionen vermitteln, aber doch eine Zwischenbilanz der jüngsten Erfahrungen ziehen.

Es ist eine Bilanz des Versagens der nationalen Rechtsvorstellungen. Trotz aller Bemühungen von Staatsanwälten sind Kinderpornos und rechtsradikale Propaganda im Netz verfügbar geblieben. Das will die Kommission ändern. „Was offline illegal ist, ist auch online illegal“, stellt sie in einer „Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuß sowie den Ausschuß der Regionen“ fest. (http:// www2.echo.lu/legal/en/internet/ content/communic.html). Dem Legalitätsprinzip entsprechend seien alle Staaten verpflichtet, gegen Rechtsverstöße vorzugehen. Neu sei lediglich die Globalität des Mediums, das über den Geltungsbereich sämtlicher nationaler Gesetze hinausreicht.

Ergänzt wird die „Mitteilung“ durch ein „Grünbuch über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen und Informationsdiensten“, das nach Meinung seiner Autoren einen „horizontalen Ansatz“ verfolgt. Gemeint ist die bevorstehende Fusion sämtlicher Medien in einem Netz, das Fernsehen, Video, Teleshopping und auch das dann schon gute alte Internet umfassen wird. Den Vordenkern wird selbst mulmig bei diesem Gedanken. Sie können ihn nicht verwerfen, weil sie glauben müssen, er werde die Integration Europas fördern, sehen aber hauptsächlich Gefahren voraus, nicht nur für den Kinder- und Jugendschutz, sondern auch für die Rechtsgüter der Gewerbe- und Meinungsfreiheit. Kern des 70 Seiten langen Textes ist eine Liste offener Fragen, zu deren Beantwortung die EU-Gremien aufgerufen sind.

Das Grünbuch wird über ein Schubladendasein nicht hinauskommen. Die „Mitteilung“ dagegen betreibt Schadensbegrenzung für den Hausgebrauch. Sie enthält Vorschläge, die „schnell realisiert werde sollten“, wie es in der Einleitung heißt, aber auch eine deutliche Warnung vor dem Übereifer von Staatsanwälten. Zumal die deutschen seien auf die sonst nirgends vertretene Idee verfallen, von Internetprovidern zu verlangen, „fallweise“ den Zugang zu illegalen Dokumenten zu sperren. Am Beispiel CompuServe (Sexgroups) und der „Internet Content Task Force“ (radikal) wird erläutert, warum diese Methode kläglich versagt.

Für aussichtsreich hält die Kommission nur Maßnahmen am Anfang und am Ende der Netzleitungen: Sie fordert einerseits (mindestens) europäische Vereinbarungen gegen Produzenten und Anbieter von verbotener Pornographie und Gewaltdarstellung, um „Schlupflöcher für Kriminelle“ zu stopfen; andererseits empfiehlt sie den Einsatz des Bewertungssystems für Inhalte „PICS“, das vom World-Wide-Web-Konsortium als Industriestandard vorgeschlagen wird. Mit PICS klassifizierte Dokumente lassen sich am heimischen PC sperren, ohne daß unter weltweiten Protesten ganze Netzknoten blockiert werden müssen. Unbesehen möchte die EU die Moral der Computerindustrie aber doch nicht übernehmen: Deutlich französische Handschrift trägt der Vorschlag, ein eigenes europäisches Klassifikationssystem zu entwicken. Niklaus Hablützel

niklaus@taz.de

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