Durch die Hintertür schleicht der Tiger

Noch ist es westlichen Unternehmen unangenehm, ihre Investitionen in Birma zuzugeben. Asiatische Tochterfirmen halten in dem Land der Militärjunta die Stellung bis zum Boom  ■ Aus Rangun Jutta Lietsch

„Destruktive Elemente“, „skrupellose Personen mit negativen Ansichten“ oder gar „Axtschäfte der Imperialisten“ – die Ranguner Militärjunta liebt den groben Ton, wenn sie von ihren Kritikern spricht. Wer zum wirtschaftlichen Boykott aufrufe, sei ein „jämmerlicher Verräter“, findet Tourismusminister Kyaw Ba.

Der Zorn der birmesischen Militärs richtet sich vor allem gegen einen „Axtschaft“: Aung San Suu Kyi. Die Friedensnobelpreisträgerin fordert ausländische Reisende und Investoren auf, ihr Geld nicht nach Birma zu bringen, weil sie damit die Willkürherrschaft der Generäle unterstützen würden. Dabei müht sich die Regierung heftig, Besucher anzuziehen: „Visit Myanmar“ lockt das Maskottchen des offiziellen Tourismusjahres im ganzen Land auf Plakaten und Stelltafeln, in Zeitungen und Broschüren. Am 18. November soll nun endlich das „Visit Myanmar Year 1996“ beginnen, nachdem es mehrfach verschoben wurde, „weil die Vorbereitungen noch nicht abgeschlossen waren“, wie ein Tourismuskaufmann sagt.

Die Skyline von Rangun um die golden leuchtende Shwedagon-Pagode hat sich in den letzten Jahren rapide verändert: Zahlreiche große Hotels sind entstanden, immer neue kommen dazu. Im Jahr 1988, als die sich „Staatsrat zur Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung“ (SLORC) nennende Junta begann, das Land zu öffnen, gab es nur knapp 20 staatliche Herbergen im ganzen Land.

Bei der Einweihung eines neuen Hotels zählte Tourismusminister Kyaw Ba kürzlich auf, was Birma bald ausländischen Besuchern zu bieten habe: 472 Hotels, Motels und Gasthäuser mit 10.876 Zimmern, die vollständig im Besitz lokaler Unternehmen sind. Dazu kommen 40 ausländische und Joint-venture-Hotels, in die Ausländer über 1,48 Milliarden US- Dollar investierten. In Birma warten bald mehr als 18.500 Zimmer auf Touristen und Geschäftsleute, berichtete der Minister stolz.

Da ist es kein Wunder, wenn die Militärs bleich vor Zorn werden, sobald sie an den Boykottaufruf Aung San Suu Kyis und der Opposition denken: Im Oktober waren viele dieser Hotels gähnend leer. Die meisten Foyers in Rangun glichen einer Theaterkulisse, in der sich ein paar Statisten die Zeit vertreiben.

Auch wenn Hotelmanager wie Manfred Keiler vom gerade renovierten Inya-Lake-Hotel, einem Hongkonger Joint-venture mit dem Tourismusministerium, Optimismus verbreitet und von den „großartigen Perspektiven Birmas“ schwärmt, tröpfeln die ausländischen Gäste bisher nur ins Land.

Ob der Aufruf zum Tourismusboykott befolgt wird, läßt sich schwer sagen, meint ein europäischer Reiseveranstalter. Weil das Reisen in Birma teurer sei als in den Nachbarländern, kämen eh weniger Rucksackreisende, die auf solche politischen Appelle anspringen. Amerikaner haben allerdings schon ihre Buchungen storniert nach den Massenverhaftungen im Mai und Ende September.

Das schiebt ein deutscher Hotelmanager auf die verzerrte Berichterstattung in ausländischen Medien. Die führe zu überflüssigen Ängsten: „Die Touristen kriegen von Menschenrechtsverletzungen doch nichts mit.“

Die Hotelmanager hoffen allerdings auch auf Geschäftsleute, die sich ebenfalls rar machen. Seit der wirtschaftlichen Öffnung des Landes sind nach Auskunft des Ministers für Wirtschaftsplanung, David Abel, 4,13 Milliarden US- Dollar Investitionen ins Land geflossen – oder versprochen worden. Die wichtigsten Geschäftspartner kommen aus Asien: Singapur, Thailand, Hongkong, Malaysia, China. Die US- Firma Unocal und die französische Total, die sich an einem Erdgasprojekt beteiligen, sind die größten westlichen Investoren.

Deutsche Unternehmen hielten sich bislang zurück. Das liegt nach Auskunft von Geschäftsleuten in Rangun nicht zuletzt auch an der Bonner Politik: Es gibt – außer Kleinprojekten – keine offizielle Entwicklungshilfe. Vor allem aber können Firmen aus der Bundesrepublik für die Birmageschäfte weder Gelder der Kreditanstalt für Wiederaufbau noch Hermes- Bürgschaften erhalten.

Doch das Interesse ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen: Immer häufiger fahren Wirtschaftsdelegationen nach Birma. Der „Ostasiatische Verein“, der deutschen Mittelstandsfirmen den Weg nach Asien bahnen will, eröffnet Ende des Jahres ein Büro in Rangun. Längst ist die Firma Fritz Werner im Land, die viele Jahre lang die birmesischen Militärs mit Gewehren versorgte. Heute verkauft das Unternehmen vor allem Baumaschinen. Siemens ist seit 1991 in Birma und liefert unter anderem Telefonanlagen an die Regierung. Die Deutsche Bank hat im Mai eine Repräsentanz in der Hauptstadt eingeweiht.

Birmas Reiche müssen sich nicht länger mit japanischen Limousinen oder importierten Mercedessen zufrieden geben: Auch BMW hat jetzt Geschäft und Reparaturwerkstatt in Rangun. BMW-Vertreter hatten sich im Mai, als gerade über 250 Oppositionelle festgenommen wurden, ein besonders passendes Gastgeschenk für die Junta einfallen lassen: Drei Polizeimotorräder.

Zu den Lieblingsvokabeln deutscher Geschäftsleute in Birma gehört „der lange Atem“. In zwei Jahren, wenn Birmas Generäle das Erdgas durch die von Unocal und Total gebauten Pipelines nach Thailand verkaufen, wird, so hofft ein Unternehmer, ein neues Zeitalter ausbrechen: Dann werde die birmesische Regierung richtig einkaufen können. Und dann wollen die Deutschen dabei sein.

Bislang aber lohne sich für ausländische Firmen das Birma-Geschäft nur, wenn es „keine Probleme“ gibt, sagt ein westlicher Diplomat. Solche Probleme hatten die niederländischen und dänischen Bierbrauer Heineken und Carlsberg. Im Sommer mußten sie ihren Plan aufgeben, in Birma Anlagen zu bauen, da Kunden in Europa und den USA mit einem Boykott drohten.

Zwar haben die birmesische Regierung und in Birma vertretene ausländische Firmen trotzig erklärt, die Heineken-Carlsberg-Affäre sei völlig ohne Wirkung geblieben, weil ja sofort Singapurs „Tiger“-Bier eingesprungen sei. Denn Tiger wird von den Asian- Pacific-Breweries gebraut, die zu 42,5 Prozent Heineken gehört. Dennoch bekamen ausländische Unternehmen einen riesigen Schreck. Ein deutscher Manager: „Wir müssen ja nicht überall herumposaunen, daß wir hier sind.“