Schönrechnerei beim Euro-Beitritt

■ EU-Kommission sieht 12 von 15 Ländern bei der Währungsunion dabei. Die Europäische Zentralbank sieht dagegen wenig Grund zu Optimismus und erteilt Deutschland einen Rüffel wegen des Staatsdefizits

Brüssel/Berlin (taz) – Wenn es nach der EU-Kommission geht, werden bis zu 12 Länder an der Europäischen Währungsunion teilnehmen – wesentlich mehr, als bisher angenommen. In ihrem gestern vorgelegten Konvergenzbericht kritisiert sie zwar noch, daß im Augenblick nur drei Staaten – Luxemburg, Irland und Dänemark – die Kriterien erfüllen. Gleichzeitig aber hat die Kommission eine Prognose vorgelegt, nach der 1997 bis auf Griechenland, Großbritannien und Italien alle EU-Staaten die Hürden überspringen werden. Schweden könnte dabei sein, das ist aber nicht sicher.

Das Europäische Währungsinstitut, die Vorläuferinstitution der künftigen europäischen Zentralbank, sieht dagegen in seinem ebenfalls gestern veröffentlichten Bericht über den aktuellen Stand der Konvergenz wenig Grund für Optimismus: „Insgesamt waren die Fortschritte bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen im allgemeinen zu gering.“

Was die Haushaltsdefizite anbelangt, erhält die Bundesrepublik einen Rüffel. Dänemark, Luxemburg, Irland und die Niederlande halten vermutlich dieses Jahr ihre Defizitquote (das Verhältnis von Neuverschuldung zu Bruttoinlandsprodukt) unter den geforderten drei Prozent. Die übrigen Länder dürften deutliche Rückgänge aufweisen. „Eine Ausnahme ist Deutschland, wo mit einem weiteren Anstieg der Defizitquote gerechnet wird“. Auch die Gesamtverschuldung der BRD werde 1996 über dem Grenzwert von 60 Prozent des Inlandprodukts liegen.

Wird demnach die Bundesrepublik doch nicht mit von der Partie sein? „Wir entscheiden ja nicht heute“, wiegelte ein Sprecher des Finanzministeriums ab, „sondern erst Anfang 1998.“ Und schließlich sieht er wie die EU-Kommission einen gewissen Spielraum: „Die Kriterien werden gemäß dem Maastricht-Vertrag ausgelegt.“

Denn nach Artikel 104c gilt das Defizitkriterium als erfüllt, wenn das Defizit „erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat.“ Analog gilt das auch für die Gesamtverschuldung. Genügt das noch nicht, läßt der Vertrag eine weitere Chance: „Erfüllt ein Mitgliedstaat keines oder nur eines dieser Kriterien, so erstellt die Kommission einen Bericht.“ Auf dieser Grundlage entscheidet dann der Ministerrat, ob ein verschuldetes Land nicht doch noch aufgenommen wird.

Die Kommission nutzt bei ihrer Prognose nicht nur diese vertraglichen Spielräume aus, sie geht zudem gewohnt optimistisch von einem hohen Wirtschaftswachstum aus: 2,3 Prozent 1997, 2,8 Prozent 1998. Nicht weniger als 14 Länder sind nach EU-Einschätzung im entscheidenden Jahr 1997 in der Lage, die Inflationsraten und die langfristigen Zinsen so niedrig zu halten, wie der Maastrichter Vertrag verlangt. Nach Ansicht von Wirtschaftsexperten ist für die Stabilität der künftigen Eurowährung die Höhe von Inflation und Zinsen ohnehin wichtiger als die Haushaltslage. Alois Berger/Nicola Liebert