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Unbefristeter Aufenthalt im Transit rechtswidrig

■ Abgelehnte Asylbewerber dürfen ohne richterliche Anordnung nicht unbefristet im Transitbereich des Flughafens festgehalten werden, so das OLG Frankfurt

Berlin (taz) – Abgelehnte Asylbewerber dürfen ohne richterliche Anordnung nicht unbefristet im Transitbereich eines Flughafens festgehalten werden. Eine solche Langzeitinternierung stellt eine rechtswidrige Freiheitsberaubung dar. Dies hat jetzt das Oberlandesgericht Frankfurt in einem Grundsatzurteil entschieden und damit einer umstrittenen Praxis des Bundesgrenzschutzes einen Riegel vorgeschoben.

Die Richter des 20. Zivilsenats hatten über die Beschwerde eines Inders zu entscheiden, der acht Monate lang im Transitbereich des Frankfurter Flughafens festgehalten worden war. Der 42jährige war im Februar auf dem Airport Frankfurt gelandet, um in der Bundesrepublik Asyl zu beantragen. Nach der sogenannten Flughafenregelung ließ ihn der Bundesgrenzschutz gar nicht erst einreisen, sondern hielt ihn bis zur Entscheidung über sein Asylbegehren auf dem Flughafen fest.

Nachdem der Asylantrag des Mannes abgelehnt worden war, scheiterten mehrere Versuche, ihn abzuschieben. Der Inder geriet in einen Teufelskreis – die Behörden seines Heimatlandes verweigerten ihm die Aufnahme, und die deutschen Behörden hinderten ihn daran, den Flughafen zu verlassen. Vom achtmonatigen Aufenthalt im Transitbereich seelisch zermürbt, wurde der 42jährige nach Informationen von Pro Asyl inzwischen in die Psychiatrie eingeliefert.

Die Räumlichkeiten im Transitbereich, so urteilten die Frankfurter Richter jetzt, seien abgeschlossen und so eng, daß sie als „Hafträume im Sinne des Gesetzes“ angesehen werden müßten. Die Unterbringung in derlei Räumen sei jedoch ohne richterliche Anordnung nur befristet möglich. Nach dem Asylverfahrensgesetz können Flüchtlinge nur für die Dauer ihres Verfahrens und höchstens 19 Tage dort festgehalten werden. Danach, so befand das Gericht, müsse ein Richter in jedem Einzelfall über die Fortdauer der Inhaftierung entscheiden.

Der 42jährige Inder hingegen war acht Monate lang interniert, ohne daß ein Gericht ihn angehört hatte. Eine solche Praxis stelle eine Freiheitsberaubung dar und verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, heißt es jetzt in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt.

Pro Asyl begrüßte die Entscheidung, weil sie einen unhaltbaren Zustand beende. Nach Informationen der Flüchtlingsorganisation hat der Bundesgrenzschutz im vergangenen Jahr 200 Flüchtlinge ohne richterliche Anordnung über längere Zeit im Transitbereich festgehalten. Derzeit seien auf dem Frankfurter Rhein-Main- Flughafen noch acht Betroffene „langzeitinterniert“. Die – so fordert Pro Asyl – müßten nach dem gestrigen Urteil sofort freigelassen werden. Vera Gaserow

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