Bill Clinton hat es geschafft: Seit Roosevelt ist er der erste Demokrat, der eine Wiederwahl zum US-Präsidenten geschafft hat. Doch von Aufbruchstimmung keine Spur: Diverse Skandale werfen ihre Schatten voraus und könnten auch Clintons außenpolitische Handlungsfähigkeit beeinträchtigen Aus Washington Andrea Böhm

Comeback-Bill macht's noch einmal

The best is yet to come“ trällerte Tony Bennett bei der Siegesfeier für Bill Clinton in Little Rock, Arkansas. „Das Beste steht noch bevor.“ Opernsängerin Jessye Norman griff zum Mikrofon, Barbara Streisand hatte Glückwünsche geschickt und Steven Spielberg wird sich gefreut haben, daß seine Wahlkampfspende von 119.000 Dollar an die Demokraten gut angelegt war.

Die Frage ist nur: Steht das Beste wirklich noch bevor?

Von der unschuldigen Aufbruchstimmung in der Wahlnacht vor vier Jahren war an diesem Dienstag nicht mehr viel zu spüren. Trotz knallender Champagnerkorken stand eines fest: Dies ist ein schwacher, angeschlagener Bill Clinton, der am 20. Januar 1997 zum zweiten Mal seinen Amtseid leisten wird. Erstens kann der Präsident bei einer Wahlbeteiligung, die laut CNN bei 49 Prozent lag, kaum von einem Mandat der Wähler sprechen. Zweitens steht er wieder einer republikanischen Mehrheit im US-Kongreß gegenüber. Drittens werfen vermeintliche und tatsächliche Skandale ihre Schatten voraus: Die „Whitewater“-Immobilien-Affäre, die ihn schon in seinem ersten Amtsjahr so angreifbar gemacht hatte, ist noch lange nicht ausgestanden. Daß gegen Hillary Clinton Anklage erhoben wird, ist nicht auszuschließen. Schon jetzt droht Bill Clinton ein weiterer parlamentarischer Untersuchungsausschuß, der sich mit den immer zahlreicheren Wahlkampfspenden aus den Kassen asiatischer Konzerne beschäftigen wird.

Clintons Appell in der Wahlnacht, die Republikaner mögen doch mit ihm „für die Zukunft Amerikas“ zusammenarbeiten, dürfte wohl ungehört verhallen. Selbst dann, wenn er der gegnerischen Partei einen oder zwei Posten in seinem neuen Kabinett anbietet. Voraussichtlich sind das Außen- und Verteidigungsministerium neu zu besetzen. Zudem gilt als sicher, daß Clinton-Berater George Stephanopoulos und Stabschef Leon Panetta ihre Plätze räumen werden. Clintons innenpolitische Angreifbarkeit könnte auch seine außenpolitische Handlungsfähigkeit beeinträchtigen.

Doch fürs erste gilt: Das „Comeback-Kid“ aus Arkansas hat geschafft, was seit Franklin D. Roosevelt keinem Demokraten mehr gelungen ist – für eine zweite Amtszeit gewählt zu werden. Ausschlaggebend waren bei dieser Wahl die Amerikanerinnen. Während die Männer sich nach letzten Angaben von CNN mit je 44 Prozent auf beide Kandidaten verteilten, stimmten 54 Prozent der Frauen für Clinton. William Kristol, Herausgeber des konservativen Weekly Standard und Ex-Berater von Vizepräsident Dan Quayle, fragte in der Wahlnacht mit gespielter Verzweiflung, ob die Einführung des Frauenwahlrechts „wirklich eine gute Idee war“.

Bereits drei Stunden nach Schließung der Wahllokale an der Ostküste markierten die Fernsehstationen einen Bundesstaat nach dem anderen mit Blau für Clinton. Die Praxis, den Wahlausgang im Osten mit Hilfe von Umfragen vor den Wahllokalen vorherzusagen, während Wähler im Westen noch nicht einmal ihre Stimme abgegeben haben, hatte in den letzten Tagen erneut zu scharfen Protesten in Kalifornien geführt. Doch in diesem Jahr spielte die Entscheidung der Kalifornier schon kurz nach 21 Uhr keine Rolle mehr: Bill Clinton hatte das erforderliche Minimum von 270 Wahlmännerstimmen erreicht. Bob Dole trat wenig später zur Gratulation vor die Kameras. „Morgen werde ich zum ersten Mal in meinem Leben aufwachen, ohne etwas zu tun zu haben“, erklärte der 73jährige, der nun nach 45 Jahren in der Politik von der Hektik eines Präsidentschaftswahlkampfs auf das Leben eines Pensionärs umschalten muß. Es sei denn, Bill Clinton macht eine weitere Versöhnungsgeste und bietet Dole den Vorsitz einer überparteilichen Kommission zur Reformierung der staatlichen Alters- und Krankenversorgung an.

Außer Clinton jubelte noch ein anderer: Newt Gingrich, den Bill Clinton in den letzten anderthalb Jahren vom selbsternannten Führer einer konservativen Revolution gegen den Bundesstaat zum Schreckgespenst von Senioren, Müttern und Kindern reduziert hatte, bleibt Sprecher des US-Repräsentantenhauses. Gingrich verteidigte seinen Parlamentssitz gegen einen Keks-Hersteller und Millionär auf Seiten der Demokraten, der einiges aus seiner Tasche in den Wahlkampf investiert hatte. Im Repräsentantenhaus stellen die Republikaner nun wieder mit 225 von 435 Sitzen die Mehrheit. Dies ist ein für die Demokraten zweifellos enttäuschendes Ergebnis, das viele auf die immer neuen Enthüllungen fragwürdiger Wahlkampfspenden an den Präsidenten zurückführen.

Ohne Ruhm und größere Medienaufmerksamkeit verbrachte Computer-Milliardär Ross Perot die Wahlnacht. Konnte er 1992 noch 19 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, kam er jetzt auf acht Prozent. Damit hat der Texaner allerdings die Fünfprozenthürde überschritten und erreicht, daß seine „Reform Partei“ im Jahr 2000 Anspruch auf Bundesmittel zur Wahlkampffinanzierung hat. Fast unterhalb der Wahrnehmungsgrenze blieb Ralph Nader, der Spitzenkandidat der „Grünen“, der sich in den letzten Monaten mit einem Anti-Wahlkampf so gut wie unsichtbar gemacht hatte.

Eine bittere Schlappe mußten nicht nur die Demokraten, sondern auch eine breite Koalition aus Bürgerrechtlern, Gewerkschaftern, Schwulen und Lesben, Umweltschützern und Frauenrechtlerinnen in North Carolina einstecken. Jesse Helms, erzkonservatives Flagschiff im Senat, verteidigte seinen Sitz erneut gegen seinen schwarzen Herausforderer Harvey Gantt. Helms gewann mit 53 Prozent der abgegebenen Stimmen gegenüber 46 Prozent für Gantt. Niedrige Wahlbeteiligung dürfte Gantt am meisten geschadet haben. „Helms-Anhänger“, erklärte Mandy Carter, die in den letzten Monaten mit der Organisation „North Carolina Mobilization '96“ für Gantt Wahlkampf gemacht hatte, „sind einfach sehr viel zuverlässiger, wenn es darum geht, die Stimme abzugeben. Unsere Leute reden gern und viel – und kriegen am Ende den Hintern nicht hoch.“ Helms wird auch in der nächsten Legislaturperiode seinen Posten als Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Senat behalten. Der älteste Senator ist er mit 75 Jahren aber nicht. Im Nachbarstaat South Carolina wurde sein 94jähriger Parteigenosse Strom Thurmond wiedergewählt. Da Senatoren auf sechs Jahre gewählt werden, macht der Greis damit Anstalten, als erster Senator noch im Alter von 100 Jahren den Arm zur Abstimmung zu heben.

Darüber hinaus konnten die Republikaner den Demokraten im Süden, darunter in Bill Clintons Heimatstaat Arkansas, zwei weitere Senatssitze abnehmen, was den jahrzehntelangen Übergang der traditionell demokratisch wählenden Südstaaten zu den Republikanern fast komplett macht. Auf der Ebene der einzelnen Bundesstaaten werden allerdings weiterhin 32 von 50 Bundesstaaten von Republikanern regiert. Das Fazit zog denn schon am Vortag der Wahl R. W. Apple, politischer Reporter der New York Times: „Egal wer gewinnt – die Auszählungen werden wie schon der Wahlkampf in den letzten Monaten den Rechtsruck des Landes bestätigen.“