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Mehr Markt?

■ betr.: „Zentralistisches Relikt“, taz vom 29.10. 96

Man erwartet von der taz, daß sie ihre Pranke auch mal auf ein kommunalpolitisches Thema legt. Dafür wird sie, auch von uns, gekauft. Im Artikel von Marina Mai wird mir eine eigenwillige „Regentschaft“ zugeschrieben. Da ist ihr – zumindest aus unserer Sicht – die Tatze ausgerutscht.

Über die Sinnhaftigkeit von Bezirks- und sonstigen Grenzen läßt sich vortrefflich diskutieren. Es ist schlicht eine verwaltungs- und vor allem auch versicherungstechnische Notwendigkeit, über Ausflüge von Kita-Gruppen außerhalb der Bezirksgrenzen informiert zu sein.

Zu den Elternabendprotokollen im dritten Absatz. Fragen über Fragen. Fangen wir mit der wichtigsten an. Der fiktive einpullernde Dreijährige wird nicht in einem allumfassenden Informationssystem abgespeichert, seiner Bewerbung beim Bezirksamt Treptow steht nichts im Wege.

Ließe es die Zeit zu, würde ich an jeder Elternversammlung in den über 70 Treptower Kitas persönlich teilnehmen. Die Protokolle dieser Beratungen sind für meine Abteilung und für mich eine wichtige Informationsquelle über sich abzeichnende Probleme in den Kitas, sei es nun in bautechnischen Fragen oder in der pädagogischen Arbeit. Die sicherlich nicht unwesentliche Frage nach dem Datenschutz setzt aber nicht erst mit der Weitergabe des Protokolls ein, sondern bereits bei seiner Erstellung. Wenn Eltern bei der Schilderung den privaten Bereich berührender Probleme diese nicht oder anonym in das Protokoll aufgenommen haben möchten, so können sie dies äußern.

Zur „Kita-Einweisungsstelle“ im vierten Absatz: Zunächst heißt es gar nicht so, sondern „Kita-Vormerkstelle“, was natürlich nicht so dirigistisch klingt wie „Einweisung“ und den Tenor des Artikels gemildert hätte. In dieser Vormerkstelle sollen, das ist richtig wiedergegeben, zentral die Wünsche von Eltern nach einem Kita- Platz erfaßt werden. Wie Sie wissen, gibt es in Treptow grundsätzlich die Tendenz zu einem Angebotsüberhang an Kita-Plätzen, wohingegen die Versorgungssituation in den westlichen Nachbarbezirken Treptows äußerst angespannt ist, allein in Neukölln standen im letzten Jahr rund 3.000 Eltern auf der Warteliste für einen Platz in der Kindertagesstätte.

Wir haben, das wird der aufmerksamen Redaktion der taz nicht entgangen sein, in den letzten Jahren versucht, die Plätze in den Treptower Kitas auch Eltern aus allen Berliner Bezirken zugänglich zu machen, insbesondere natürlich den angrenzenden Bezirken Neukölln und Kreuzberg. Das machen andere Bezirke, zumindest nach unserem Informationsstand, nicht. Derzeit kommen rund zehn Prozent aller Kinder aus Nachbarbezirken Treptows. Ohne eine zentrale Erfassung von Elternwünschen und -nachfragen wäre dies organisatorisch nicht zu bewältigen. Ausgerechnet hier kräht die gute Tante taz nach mehr Markt. Wir versuchen, die Wünsche von Eltern nach der Betreuung ihres Nachwuchses in einer bestimmten Kita soweit wie möglich zu berücksichtigen. Wir versuchen andererseits auch, eine möglichst gleichmäßige Auslastung und auch eine soziale Durchmischung zu erreichen. Würden wir anders verfahren, wären viele der Treptower Kitas bereits geschlossen. Die von der taz als vorbildlich erwähnten anderen Bezirke haben in den letzten sechs Jahren viele Kitas geschlossen, und zwar hauptsächlich aus Gründen mangelnder Nachfrage. Treptow hat bis auf drei Kitas, deren baulicher Zustand einen weiteren Betrieb nicht mehr zuließ, keine einzige Einrichtung geschlossen.

Ein marktwirtschaftlicher „Ausleseprozeß“ hat nach meiner Auffassung in diesem Bereich nichts zu suchen. Die „Kita-Landschaft“ in unserem Bezirk ist nun mal leider etwas komplizierter, unter anderem bedingt duch ein sehr starres öffentliches Dienstrecht. Von Stellenreduzierungen sind beispielsweise oft gerade die qualifizierten ErzieherInnen betroffen.

Zur Bildung eines Bezirkselternausschusses im Bezirk: Ein Bezirkselternausschuß würde unsere Arbeit in vielen Bereichen oft vereinfachen. Eine „bewußte Verzögerung“ seiner Bildung durch das Jugendamt findet nicht statt. Mein Eindruck ist eher der, daß es schwierig ist, Eltern für diese zusätzliche ehrenamtliche Aufgabe zu gewinnen. Joachim Stahr, Bezirksstadtrat

für Familie, Jugend, Sport und

Kultur in Treptow

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