Chef des Berliner Ensemble droht mit Rücktritt

■ Krise am Berliner Ensemble: Intendant Wuttke will endlich Subventionsvertrag und Planungssicherheit. Brecht-Erben verweigern Aufführungsrechte

Der Schauspieler Martin Wuttke liebt öffentliche Auftritte nicht besonders. Zumindest nicht, wenn er als Intendant des Berliner Ensemble (BE) auf einem Podium sitzt und sich zu kulturpolitischen Fragen äußern muß. Doch mag er auch sympathisch unsicher mit den Füßen wippen – was er zu sagen hat, ist unmißverständlich und ziemlich hoch gepokert: Er will von seinem Amt zurücktreten, wenn ihm bis Monatsende kein Subventionsvertrag bis ins Jahr 2002 vorliegt. Denn nach zehn Monaten als Intendant habe er noch keine Sicherheiten für die Zukunft des Hauses und selbst nur den Status eines „freien Mitarbeiters“.

Zwar versicherte ihm Kultursenator Peter Radunski (CDU) vorgestern telefonisch, bis nächsten Mittwoch einen Vertrag zu bekommen, der bis ins Jahr 1998 reiche, aber das genügt Wuttke nicht: „Ein weiteres Jahr bedeutet nicht, daß ich für das Theater notwendige strukturelle Veränderungen durchsetzen kann.“

Nun ist es allerdings so, daß kein Berliner Privattheater derzeit einen Subventionsvertrag erhält, der weiter als zwei Jahre reicht – ein parlamentarischer Beschluß, den Radunski nicht unterlaufen könne, versicherte Kultursenatssprecher Axel Wallrabenstein auf Nachfrage und verwies darauf, daß das Berliner Ensemble doch zumindest sein Programm für das Brecht-Jahr 1998 in Ruhe planen könne. Damit aber spricht er den zweiten Aspekt der momentanen Situation am BE an, die Wuttke als „künstlerisch unverantwortlich“ empfindet.

Denn an Play Brecht ist dort derzeit nicht zu denken. Schon in dieser Spielzeit wollten Wuttke und sein Chefdramaturg Carl Hegemann einen reinen Brecht-Spielplan vorlegen – doch die Verhältnisse, sie sind nicht so. Barbara Brecht-Schall, Sprecherin der Brecht-Erben, behagt der Stil des Hauses offenbar nicht. Sie verweigert dem erfolgreichen „Arturo Ui“-Darsteller Wuttke Hauptrollen in allen Brecht-Stücken, in denen er gerne spielen würde. Auch darf der momentan wichtigste Regisseur des Hauses, Einar Schleef, nach seiner – obgleich vielgelobten – Inszenierung des „Puntila“ überhaupt kein Stück von B. B. mehr inszenieren. Und Altregisseur Peter Palitzsch auch nicht. „Es ist mir schleierhaft, wie die Erben ablehnen können, einen kompletten Brecht-Spielplan zu bekommen“, sagte Wuttke und fügte entschlossen hinzu: „Wir haben uns in der Affäre Hochhuth nicht so angestellt, um jetzt von anderen Seiten künstlerisch erwürgt zu werden.“ Petra Kohse

Zum Thema BE siehe auch Seite 24