Jacobs Krönung

■ Porträt eines Berliner Kiezfürsten: "Der Rotlichtprinz" (21.45 Uhr, ARD)

„Die Männer haben ein Problem: Sie kommen als Babys aus der Muschi raus und wollen ihr ganzes Leben wieder rein.“ Auf dieser schlichten Einsicht gründet sich das Imperium von Steffen Jacob, dem „Rotlichtprinzen“ vom Stuttgarter Platz, dem St. Pauli von Berlin. Er selbst nennt sich lieber schlicht einen „Businessman“ in jenem Gewerbe mit der angeblich bis ins Paläolithikum zurückreichenden Geschichte. Jacob ist zwar erst die letzten 30 Jahre dabei, aber trotzdem sieht er sich als einen der letzten seiner Art. Sein Beruf sei eben „auch ein aussterbender“, sagt er lakonisch und fügt korrigierend hinzu: „Ein im deutschen Bereich aussterbender.“

Und das meint er wörtlich. Denn wenn sich Jacob im Helikopter seiner Frau nach Ibiza tragen läßt oder im Kiez ein 35 Millionen Mark teures „Business-Center“ plant, sorgt er sich nicht so sehr um seine wirtschaftliche Existenz. Seine Sorgen sind von ganz anderem Kaliber: Ob ein Trupp albanischer Schutzgelderpresser in Jacobs „Club Evi“ einfällt oder ob Emissäre der russischen Mafia nach „geeigneten Objekten zur Übernahme“ fahnden – mit „Mann gegen Mann, und anschließend umarmen wir uns und schlürfen 'n paar Bierchen“ – haben die Machtkämpfe in der Szene nichts mehr gemein. Deshalb hat Jacob Freunde. Mahmut Al-Zayn beispielsweise, einen der ganz Großen in Berlins Untergrund, oder Ahmed Zaran, seinen Bodyguard aus dem Libanon, nebst dessen „20 Brüdern und 400 Cousins“. Diese gewaltbereite Armee scheint nötig, um seine Position zu behaupten, egal, ob gegen türkische, arabische, italienische oder russische Versuche der Einflußnahme auf sein lukratives Unternehmen.

Selbstredend erfährt der Zuschauer auch in der Reportage von Enrico Demurray und Stefan Pannen nicht, wie das alles wirklich und wahrhaftig zusammenhängt. Wenn's ernst wird, muß die Kamera draußen bleiben. Jacob zeigt zwar bereitwillig das private Schlafgemach und Badezimmer, aber in die Karten gucken läßt er sich deshalb noch lange nicht. Eben noch hatte sein Bodyguard einem Albaner in den Rücken geschossen, schon trifft der Albaner sich mit Jacob und widerruft anschließend bei der Polizei seine belastende Aussage; eben noch sieht Jacob ganz Deutschland in der Hand der Russen, schon ist Berlin plötzlich wieder groß genug für Mafia und „Rotlichtprinz“; eben noch wurde einer seiner Clubs auf polizeiliche Anordnung geschlossen, schon hat der einen anderen Namen und ist wieder offen für alles, was es so gibt ab 60 Mark. Und so schauen wir dem „Rotlichtprinzen“ zu, wie er alles deichselt; doch wie, erfahren wir nicht.

Vielleicht möchten wir das ja zur Abwechslung auch mal gar nicht so genau wissen, denn das besorgen uns schon die diversen quotengeilen Reportermagazine. „Der Rotlichtprinz“ hingegen zeigt gerade mal 45 Sekunden nacktes Fleisch; wer Sensationen will, muß weiterzappen. Voyeurismus ist bei diesem angenehm unspektakulären ORB-Portrait über Jacob und seinen „Stutti“ nicht angesagt.

Mit Jacob kommt ein Insider zu Wort, der nicht bereit ist, die mediale Mafia-Panik zu teilen. Und die beiden Filmemacher lassen ihn reden und ausreden. Nun ist gewiß nicht alles, was der Mann so ausplaudert, geeignet, um es der Nichte ins Poesiealbum zu schreiben, aber wenn er sagt, die Zeiten seien nicht hart, sie seien nur anders, dann klingt das schon fast ein wenig weise. Trotzdem kann man dem „Prinzen von der Spree“ nur wünschen, daß er nicht schon morgen in Amt und Würden gesetzt wird, denn „König“ wird man im Milieu erst dann, wenn man bereits vier Fuß unter der Erde liegt. Christoph Schultheis