Abschiebung ins Land der Henker

■ Pünktlich zum Jahrestag der Hinrichtung des Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa will Niedersachsens Regierung 15 oppositionelle Nigerianer in ihre Heimat schicken. Gegen ihren Willen sollen sie Ausreisepapiere bekommen

Hannover/Berlin (taz) – Rechtzeitig zum ersten Jahrestag der Hinrichtung des nigerianischen Oppositionellen Ken Saro- Wiwa bereiten deutsche Behörden die Abschiebung von 15 Asylsuchenden in die westafrikanische Militärdiktatur vor. 15 der 22 Nigerianer, die im Sommer in der evangelischen Kirche in Hannover-Uhlhorn Zuflucht gesucht hatten, erhielten von der Stadt Hannover die Aufforderung, sich für die Ausstellung von Paßersatzpapieren in die nigerianische Botschaft nach Bonn transportieren zu lassen. Die Flüchtlinge, deren Asylanträge abgelehnt worden waren, gehören allesamt zur oppositionellen Nigerian Association.

Der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) will die 15 wenn nötig zwangsweise in die Botschaft ihrer heimatlichen Diktatur schaffen, wenn sie am 19. November nicht freiwillig den eigens gecharterten Bus nach Bonn besteigen. „Falls die Nigerianer nicht selbst nach Bonn fahren, kommt es zur Zwangsvorführung“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover gestern. Die Flüchtlinge sehen die Fahrt zur Botschaft als Beginn der Abschiebung. Sie fürchten, durch den Transport zur Botschaft der Diktatur als Oppositionelle vorgeführt zu werden.

Aufenthalts- oder Bleiberecht für die Nigerianer hatten in den letzten Wochen neben deutschen Intellektuellen und Kirchenvertretern auch führende Vertreter der nigerianischen Opposition gefordert – bis hin zu Nobelpreisträger Wole Soyinka. Amnestie international hat am Dienstag in London einen Sonderbericht zu Nigeria vorgelegt. Darin heißt es, daß „viele Nigerianer, die sich für die Menschenrechte in ihrem Land eingesetzt haben, einen hohen Preis zahlen mußten. Einige sind tot, sie sind hingerichtet und ermordet worden. Viele sitzen im Gefängnis.“

Am Sonntag genau vor einem Jahr hatte der nigerianische Militärdiktator Sani Abacha neun Oppositionelle, darunter den Schriftsteller und Ogoni-Führer Ken Saro-Wiwa, aufhängen lassen. Ken Saro-Wiwa war bekannt geworden durch seinen Kampf gegen die Zerstörung seines Heimatlandes durch die Ölindustrie, vor allem durch den Shell-Konzern. Dafür bekam er den alternativen Nobelpreis.

In Nigeria betreibt Shell gemeinsam mit dem nigerianischen Staat den größten Ölkonzern des Landes. Der Konzern, dem eine enge Zusammenarbeit mit den Militärs vorgeworfen wird, spielt für Shell 200 Millionen US-Dollar Gewinn im Jahr ein. Shell gibt zu, im Ogoni-Land Fehler gemacht zu haben, verweist aber inzwischen darauf, der einzige internationale Konzern zu sein, der sich überhaupt zu Menschenrechten in Nigeria äußere.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker will morgen vor Shell-Tankstellen in 20 westdeutschen Städten auf die Mitverantwortung des Konzerns für Menschenrechtsverletzungen in Nigeria aufmerksam machen. Auch deutsche Firmen wie Julius Berger und Ferrostaal, eine Tochter des MAN-Konzerns, haben sich nicht von guten Geschäften in Nigeria abhalten lassen. Im Gegenteil, im ersten Halbjahr nach dem Mord stiegen die Exporte Deutschlands nach Nigeria erstmals seit Jahren wieder an. ü.o./ten

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