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Einblick: City-Shopping

Einkaufen in der Hamburger Innenstadt? Wer macht denn sowas? Doch die verlängerten Öffnungszeiten locken – und so drängeln sich dieser Tage auch Menschen in der City, die es gewohnt sind, alles – vom Brötchen bis zur Jeans – im eigenen Viertel zu erwerben, schieben sich im Pulk mit Tausenden über den Jungfernstieg, verstopfen Mönkeberg- und Spitaler Straße. Über den Köpfen baumeln geschlossene Steckdosen, die dazugehörigen Sterne liegen noch auf Halde, nur die Ladendekorationen künden bereits vom Großauftritt der Vorweihnachtszeit.

Der gemütliche Schaufensterbummel findet woanders statt. Die Hamburger Innenstadt ist kein Ort für Begegnungen und den nonchalanten Plausch an der Straßenecke. Wir wollen nicht nostalgisch werden, fragen uns aber doch, warum man hier einkaufen geht, an einem Ort, wo selbst der Gang zum Klo ein Problem darstellt. Keine Hinweise auf öffentliche Toiletten sind zu finden, was bleibt also übrig, als die Kaufhäuser zu stürmen und mit der Rolltreppe in den sechsten Stock zu rasen oder verschämt bei Burger King nach dem Schlüssel zu fragen.

Doch es gibt Lichtblicke. Die überquellenden Geschäftsstraßen stoßen auf rechtwinklig abgeführte Fluchtwege und spülen die Kaufwütigen mit den Alsterkanälen in sämtliche Richtungen. Zum Beispiel in die Poststraße. Da verführt die alteingesessene Confiserie Paulsen mit ihrer Auswahl an feinen Lebkuchen und wunderbaren Schokoladen – zum Mitnehmen. Entspannung findet der fußkranke Konsument in der Konditorei Andersen am Axel-Springer-Platz, wo die gelassene Bedienung Kaffee-Spezialitäten und exquisites Gebäck serviert.

Solchermaßen gestärkt wird das Bekleidungsangebot unter die Lupe genommen – und Ansprechendes aus zweiter Hand zutage gefördert. Secondella in den Hohen Bleichen oder Texchange am Heuberg bieten feine Fummel namhafter Designer, billig und exclusiv; die komplette Retro-Ausrüstung für jeden Weihnachtsparty-Gänger liefert Vintage & Rags in den Kurzen Mühren.

Auch Musikliebhaber werden in Hamburgs City durchaus fündig. Kleine Musikläden wie Schallplatten im Hanseviertel (Große Bleichen) oder der Klassik Pavillon auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz bestechen durch ihre gutsortierte Auswahl ebenso wie durch die freundlich-kompetente Beratung. Michelle Records hat am Gertrudenkirchhof neben dem CD-Angebot sogar einen eigenen Laden für Schallplatten eingerichtet.

Wer sucht, der findet sie also, die kleinen Oasen der Ruhe in der Vorweihnachtsrummel-geplagten Innenstadt. Und vielleicht bleibt ja auch noch Zeit für einen Besuch in der Kunst- oder den Deichtorhallen. Denn hier relativiert sich jeglicher Einkaufsstreß.

Bettina Bruns/Claude Jansen

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