: Fehladressierte Schelte
■ betr.: „Geistiger Öko-Giftmüll“, taz vom 31. 10. 96
[...] Wer sich durch den Artikel durchbeißt und nach Argumenten fahndet, findet versteckt im überschwenglichen, polemischen Angebot immerhin derer zwei, die Miersch aus Weidenbachs Film übernommen hat: Ein Tropenholzboykott am Beispiel Malaysias sei ungerechtfertigt, weil wenn der Wald nicht genutzt wird, wird er durch Ölpalm- und Gummibaumplantagen verdrängt, und aufgrund des Nährstoffvorrats im vulkanischen Boden könne sich der Wald doch noch regenerieren.
Hierzu ist zu entgegnen: Zum einen könnte die malaysische Regierung, die ansonsten gegen Natur- und Umweltschützer nicht zimperlich ist, per Gesetz und Kontrolle den Wald vor den Plantagenbesitzern schützen, aber das liegt ohnehin nicht in ihrem Interesse: G. Davison, Leiter der Naturschutzabteilung des WWF in Malaysia, bescheinigt der Regierung eine „exzellente Forstpolitik – auf dem Papier“. Offenkundig gebe es keine entsprechenden Mechanismen der Umsetzung. Zum anderen ist ein gewisses Nährstoffpotential im Urwaldboden weder eine Rechtfertigung für noch ein Schutz vor Raubbau am Wald, für die Zerstörung der Begleitflora und -fauna und für den Entzug der Lebensgrundlage der Menschen, die dort gelebt haben.
In seiner Euphorie rezitiert Michael Miersch auch reizvolle Stilblüten wie zum Beispiel die folgende: „Wenn die Holzfirmen abziehen, bleibt ein wertvoller Wald zurück.“ Das zu verkünden, hätte sich noch nicht einmal die Holzlobby in ihren Hochglanzbroschüren getraut. Bravo Michael Miersch! Und kennerhaft beschließt er sein Traktat mit der Feststellung: „Die Holzindustrie stellt wenigstens nützliche Produkte her, ...“ Aber, so frage ich mich, müssen die Brettchen für die Stirn aus um die Welt gereistem Mahagoni sein? Ich meine, heimische Eiche tut's auch.
Was ist eigentlich mit Weidenbachs Film, den Michael Miersch so bedingungslos belobhudelt? Offensichtlich hat sich Weidenbach vom malaysischen Umweltminister, der maßgeblich für die Abholzung des Tropenwaldes verantwortlich ist, durch schöne Reden und das Herumführen in kleinen Vorzeigeprojekten täuschen lassen. Bislang gibt es nirgendwo den Nachweis für eine nachhaltige holzwirtschaftliche Nutzung von tropischen Wäldern (vgl. Park, C.C: Tropical Rainforests, London, New York, 1992). Seit 1984 arbeiten Mitarbeiter der gtz in einem malaysischen Forstforschungsinstitut mit, um Erfahrungen mit der Regenwaldbewirtschaftung zu sammeln. Allerdings ist es ein von Menschen begründeter Wald mit „bei weitem nicht der ursprünglichen Biodiversität“ (gtz Broschüre zu Umweltschutzprogrammen in Malaysia). Dort heißt es weiter: „Holz, das aus den degradierten Wäldern herausgeholt wird, hat nur noch geringen Wert.“ In manchen Gegenden existiert nur noch in Bergregionen ungestörter Primärwald. Weidenbach hätte durch gründlichere Recherchen vor Ort sich ein genaueres Bild machen können. [...] Erich Lutz, Gundelfingen
Ach, lieber Kollege Miersch, daß Du uns eine solch haarsträubende Geschichte auftischen mußtest, um Deinem Gemälde von den katastrophensüchtigen Umweltjournalisten die schillernde Ölfarbe zu geben. In Ermangelung eines schlimmen Tankerunglücks hätten Kollegen einen Kormoran gefangen und vor den Kameras ins Öl geworfen. Hat ihnen die Sensationsgier Flügel verliehen, daß sie einfach so am Strand entlang zischen und wie überdimensionale Seeadler einen Kormoran vom Felsen greifen konnten? Wer soll einer Argumentation Glauben schenken, die die Natur (der Vögel, der Menschen, der Schwerkraft, der Kybernetik) dermaßen außer acht läßt? Die Öko-Optimisten mögen Überflieger sein. Bis wir die Geschichte mit dem Kormoran glauben, müssen sie aber erst noch ein paar Kunststückchen vorführen. Bis zur nächsten Argumentationspirouette Florian Schwinn,
Umweltjournalist
Offensichtlich hat jede Szene ihre Sünder und ihre Denunzianten. Was den MißbrauchsanklägerInnen die Rutschky, ist nun den Regenwaldverteidigern der Weidenbach.
Bitte findet jemanden, der über dem Getümmel steht und die Dinge wieder richtig einordnet. Wer weiß, wieviel schlichte Gemüter nach Weidenbachs Angriff wieder genüßlich in ihrer Mahagoniausstattung aufatmen. [...] Helmut Ritter, Hohenhameln
Es kommt selten genug vor, daß ein taz-Autor die Qualität seines eigenen Artikels im Titel beurteilt: Geistiger Öko-Giftmüll, Michael Miersch. [...]
Ein Aspekt aus dem Sumpf Mierscher Halbwahrheiten und Diffamierungen scheint mir in einer Zeit sehr schneller und spannender Entwicklungsdynamiken in vielen Länder der „Dritten Welt“ wichtig: Die Behandlung der Ureinwohner dieser Länder. Wie sollen im konkreten Fall die Ureinwohner Malaysias, deren Rechte laut Miersch natürlich gewahrt werden müssen, einem Schreiberling wie Miersch klarmachen, daß gerade die Exportholzwirtschaft ihren Lebensraum und ihre Kultur zerstört – und sich mittlerweile auch deutsche Journalisten in den Kreis der Abwickler und Liquidierer schreiben beziehungsweise filmen? Verdienen die Ureinwohner nicht eine andere Behandlung als die der folkloristischen Häme?
Unlauter finde ich es auch, wenn in den Zeilen, die den Autoren beschreiben und mit denen man diesen ja seinen Lesern vorstellen will, (un-)absichtlich vergessen wird, daß Herr Miersch sich mittlerweile in den Bereich Öffentlichkeitsarbeit bei der Firma Hoechst hochprofiliert hat. Hätte das etwa gestört? Hermann Edelmann, München
Michael Miersch suggeriert den LeserInnen der taz, er und Filmemacher Weidenbach würden „solide Aufklärung“ und „kritischen Journalismus“ betreiben. Wir haben selten einen Beitrag gelesen, in dem der Autor seine Unkenntnis der Zusammenhänge so detailliert veröffentlicht und auch vor Lügen nicht zurückschreckt.
Es ist Herrn Miersch entgangen, daß Umweltverbände wie „Pro Regenwald“ einen pauschalen Tropenholzverzicht gar nicht fordern. Er muß deshalb so polarisieren, weil ihm sonst das Feindbild in der Diskussion und somit sein Aufhänger verloren geht. Richtig ist, daß deutsche Umweltverbände schon seit Jahren die VerbraucherInnen darauf hinweisen, nur noch Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft zu kaufen, und sich qualifiziert an der Entwicklung der dafür nötigen Standards beteiligen.
Gelogen ist, daß das FWU bei der Holzlobby kassierte, ohne Herrn Weidenbach zu fragen. Selbstverständlich wußte Herr Weidenbach davon, Verbesserungsvorschläge des Manuskripts sind zur Abstimmung mehrmals zwischen FWU, Weidenbach und Shandwick ausgetauscht worden. Hält Herr Miersch den Filmemacher Weidenbach tatsächlich für so naiv – oder lügt er mit Absicht? [...] László Maráz,
„Pro Regenwald“, München
Sich in der Pose des aufrechten Aufklärers nicht lächerlich zu machen, bedarf es eines reflektierten und differenzierten Argumentationsstils. Michael Mierschs wohlfeile und bösartige Unterstellungen gegenüber einer sogenannten „grünen Kirche“ im allgemeinen und mir im besonderen spricht für die innere Verfassung des Schreibers, der sich als freier Autor eine gründliche Recherche glaubt sparen zu können. Statt dessen betreibt er Effekthascherei mit Stereotypen, die auf dem Niveau von „Steinzeit – Nein danke“ liegen. Dadurch trägt er gerade nicht zu einer soliden Aufklärungsarbeit bei, sondern diffamiert pauschal gerade diejenigen, denen er dieses Verhalten vorwirft. In der Sozialpsychologie ist dieser Stil als Projektion bekannt.
Ich empfehle Herrn Miersch die Lektüre des Entschließungsantrages der bündnisgrünen Bundestagsfraktion zur Tropenwaldpolitik, um sich über unsere Position sachkundig zu machen. Dann würde er feststellen, daß an keiner Stelle einem Boykott des Tropenholzes das Wort geredet wird, sehr wohl aber einer ökologisch und sozial verträglichen Waldnutzung mit vorrangiger Berücksichtigung bestehender Nutzungsansprüche der lokalen Bevölkerung und deren umfassender Beteiligung an der Nutzungsplanung.
Angesichts der bedrohlichen Situation indigener Völker, ob in Malaysia oder Brasilien, abfällig von „Häuptlingen im Federschmuck“ zu schwadronieren, offenbart den klebrigen Ethnozentrismus der neudeutschen Yuppie- Stammtische. Da ist es geradezu großzügig, daß Herr Miersch der Minderheit von Jägern und Sammlern die Wahrung ihrer Rechte zugesteht, wo doch ihre Meinung nicht repräsentativ für die Zukunft ihres Landes ist. Die Repräsentativität der Malaysischen Regierung wird aber nicht thematisiert. Die vergibt ja bloß Holzkonzessionen als „Belohnung“ an loyale Anhänger.
Angesichts solcher Bedingungen den von Jens Reich vorgeschlagenen Öko-Rat als über den demokratischen Strukturen residierend und damit als undemokratisches „Quasi-ZK“ zu charakterisieren, zeugt entweder von bodenloser Ignoranz oder gezielter arroganter Böswilligkeit. Gerade der ökologische Rat sollte eine Partizipation Unabhängiger, die je zur Hälfte von den Volksvertretungen der Länder und vom Bundestag gewählt werden sollten, möglich machen. Mit Kim Il Sung (vgl. die Auslassungen von Luise Rinser) habe ich sowenig am Hut wie mit dem Diffamierungsdiskurs des Herrn Miersch.
Wer Menschen die Produktion geistigen Giftmülls unterstellt, der muß sich fragen lassen, wie er solide Aufklärung betreiben will: Etwa durch „journalistische Entsorgung“ der sogenannten „Protestbranche“? Angelika Köster-Loßack, MdB
[...] Ob Leisten, Blindfurnier, Klodeckel, Vesperbretter und vieles andere mehr: Tropenholz ist viele Jahre lang der billige Jakob im hiesigen Holzhandel gewesen. Für eine redliche Auseinandersetzung scheinen mir folgende Punkte wichtig:
1. Tropenholz ist eine Kolonialware, die im Gegensatz zu Kaffee oder Tee eine einheimische, oft qualitativ gleichwertige Entsprechung hat. 2. Unser Konsumverhalten einerseits (Einwegmöbel, Wegwerfprodukte aus Holz, Wegwerfen statt Aufarbeiten) und die weltwirtschaftlichen Strukturen andererseits (notwendiger Devisenbringer für die Tropenholz-Exportländer) machen Tropenholz auch in den nächsten Jahren bei uns unverzichtbar.
3. Die meisten Tropenholz-Exportländer benötigen eine Stärkung der einheimischen Wirtschaft, damit sie ihren wertvollen Rohstoff Holz nicht zu Schleuderpreisen auf dem Weltmarkt verhökern müssen. 4. Ein Öko-Siegel, wie manche Holzimporteure es werbewirksam eingeführt haben, hat nur einen Sinn, wenn unabhängige Gremien – vielleicht eine Art Öko-Rat – über die Einhaltung sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Verträglichkeit in den Exportländern wachen. Peter Elwert, Reutlingen
Wenn ein handwerklich schlecht gemachter Film mit deutlich tendenziöser Aussage auch noch die höchsten Weihen des Dokumentarfilmpreises des BMZ erhält, dann sollte diese politisch motivierte Entscheidung auch entsprechend kritisiert werden dürfen. Warum bekommt aber solch ein dummer Beitrag von Michael Miersch soviel Raum in der taz eingeräumt, um einen ebensolch platten Fernsehfilm seines Kumpels Thomas Weidenbach vor der einhelligen Kritik zu verteidigen? Die alte Journalistenerfahrung: Je platter die Argumentation, desto eher wird sie aufgegriffen.
Wenn Michael Miersch und Thomas Weidenbach erst neuerdings verstanden haben, daß eine komplexe Thematik wie die ökologische Frage in Tropenwaldländern mehr als Schwarzweiß-Betrachtung erfordert, dann sollten sie diesen Lernprozeß anders verarbeiten, als im platten Angriff gegen Umweltschützer. [...] Torsten Bünning, Berlin
Malaysias Meranti, malayische Minderheiten, Malaysias Meinungsfreiheit – Michael Miersch macht Meinung. Meine Meinung: „Miersch macht Mist!“ Mehr Mahagoniverkauf mindert Mißwirtschaft = Mierschs Milchmädchenrechnung. Malaysias Merantikiller machen mit mehr Merantifenstern mehr Millionen. Minderheiten – Mitverantwortung, Mitbestimmung, Mitgefühl? Mitnichten. Macht Miersch mit mieser Meinungsmanipulation Moneten? Man möchte meinen! Mensch Michel! Herbert Wieland, Hüttisheim
Anm. d. Red.: Zu dem Debattenbeitrag von Michael Miersch erschien am 2./3. 11. 96 eine Erwiderung von Susanne Breitkopf: „Miese Arbeit der Grünwäscher“
An Mierschs Polemik läßt sich sehr schön eine argumentative Taktik ablesen, die in der letzten Zeit in Mode geraten ist: die fehladressierte Schelte. [...]
Was Miersch kritisiert, ist nämlich in erster Linie die journalistisch verknappte Darstellung einer Taktik, mit der versucht wird, den Tropenwald zu „retten“. Daß der Tropenholzboykott kein Allheilmittel ist, wird von großen Verbänden nie bestritten: Er kann keine politischen Lösungen ersetzen. Er soll nur den Weg dorthin als Druckmittel begleiten und erleichtern. Daß der Boykott trotzdem gern als wahrer Ausweg beschrieben wird, ist Fehler von JournalistInnen und Pressestellen, nicht aber der „grünen Protestbranche“ als solcher. Bände spricht dabei das Beispiel, das Miersch anbringt: Journalisten hätten einen Seevogel ins Öl geworfen, um ihn zu filmen. Mit Unschuldsmiene jubelt Miersch auch diesen Auswuchs der Ökobewegung unter, aber nicht seiner eigenen Zunft.
Dazu gesellen sich weitere unlautere Argumente. Statt Tropenholz zu boykottieren – denn dann würde der Wald auch vernichtet, bloß ohne Holznutzung (so Miersch) – solle das Holz lieber „wertvoll bleiben und am besten noch viel teurer werden“, denn nur so käme es zu einer „vernünftigen Forstwirtschaft“. Oberflächlich betrachtet ein einleuchtender Gedanke. Der Fehler dabei: Tropenholz ist zwar „wertvoll“, aber nicht „teuer“. Es wird ja gerade so billig verscherbelt, daß es auf Masse ankommt – und die ist das Gegenteil von vernünftiger Forstwirtschaft. Boykott kann dem natürlich nur bedingt abhelfen. Aber wie er eine künstliche Verteuerung hinbekommen will, sagt Miersch auch nicht. Nils Kaczenski, Osnabrück
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