Teures Ghetto für Beamtenkids

■ Die Baukommission des Bundestages bewilligt bis zu zehn Millionen Mark teure Kita für Beamtennachwuchs aus Bonn

Berlin (taz) – Schmuck wird sie sein, blitzneu und im Grünen gelegen, in Krabbelweite von Spree und Kanzleramt. Ein klitzekleines Sümmchen wird sie kosten, schlappe 6 bis 10 Millionen Mark, ein klitzekleines bißchen überflüssig sein wird sie auch. Aber für die lieben Kleinen ist uns auch das Überflüssige nicht zu schade. So wird sie nun gebaut, wenn die Regierung nach Berlin umzieht: die Betriebskita der Firma Deutscher Bundestag. Die Baukommission des Bundestages hat dafür jetzt grünes Licht gegeben.

Wochenlang schwirrten deswegen giftige Pfeile zwischen Rhein und Spree. Denn das Anliegen, einen Extra-Kindergarten für den Bonner Beamtennachwuchs zu schaffen, schüttete so recht Wasser auf die Berliner Mühlen. Hintergrund des Streits: Am Rhein verfügen die Mitarbeiter des Unternehmens Bundestag über einen bestens ausgestatteten firmeneigenen Kindergarten. Gut 170 Plätze stehen dort für die Kids der Parlamentsbediensteten bereit. Und weil es auch – in Abwandlung eines Kanzlerwortes – nach dem Regierungsumzug keinem schlechter gehen soll als zuvor, ward auch in Berlin eine Betriebskita geplant. So hat es die Personal- und Sozialkommission des Bundestages der Belegschaft fest versprochen.

Nur hat man dabei eine Kleinigkeit übersehen: Berlin ist nicht Bonn. Die Kitaplätze, die der Bundestag für seinen Nachwuchs braucht, hat Berlin in mehr als ausreichender Menge. 580 Kitaplätze hat derzeit allein der Ostberliner Bezirk Mitte frei, in dem das künftige Regierungsviertel liegt. Sechs Kindereinrichtungen in „fußläufiger Entfernung“ vom Parlamentssitz hat die Sozialstadträtin des Bezirks dem Bundestag benannt, um den millionenschweren Neubau zu vermeiden.

In all diesen sechs Kitas seien die Bonner Zöglinge herzlich willkommen. Den kleinen Umzüglern würde es doch sicher gut tun, auf diese Weise neue Freunde in der fremden Stadt zu gewinnen. Oder sind die Ostberliner Kitas etwa nicht gut genug? Will man die Kids aus Bonn etwa in ein privilegiertes Ghetto stecken, ein „Wandlitz für Kinder“ schaffen?

Solch böse Worte kamen in Bonn nicht gut an. Man lehnte das Platzangebot des Bezirks dankend ab. Eine Integration des Bundestagsnachwuchses in einen oder mehrere kommunale Kindergärten entspreche nicht „den Anforderungen“, schrieb Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zurück. Vor allem in den Sitzungswochen sei eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Mitarbeiterkids nötig. Da war es egal, daß der Bezirk versicherte: Auch das können wir locker leisten.

Um dennoch den häßlichen Vorwurf der Geldverschwendung zu vermeiden, suchte Bonn einen anderen Weg. Berlin sollte in schon bestehenden Bauten geeignete Räumlichkeiten für die Bundestagskita suchen. Die fand man auch – nur waren es leider die falschen. Ausgerechnet die modernste und begehrteste Kita des Bezirks Mitte bot Berlin dem Bundestag für den Nachwuchs an. Rund 200 Kinder hätten für die Zuzügler vom Rhein ausquartiert werden müssen. So kann man auch Werbung für den Umzug machen.

Der Bezirk ging gegen diese Enteignungspläne auf die Barrikaden – mit zweifelhaftem Erfolg. Denn den Bonnern kam der Protest offenbar gerade recht. Da es nicht möglich sei, geeignete Räumlichkeiten zu finden, müßten schließlich neue gebaut werden, hat die Personal- und Sozialkommission des Bundestages befunden. Die Planungen für den Neubau, mit Blick auf die Berliner Kitakapazitäten vorerst gestoppt, werden jetzt vorangetrieben. „Die Frage“, so der Vorsitzende der Baukommission, Dietmar Kansy, gestern zur taz, „ist nicht mehr ob, sondern nur noch wie“. Vera Gaserow