„Benachteiligt und bestraft“

Klinisch tot: Das Hafenkrankenhaus in St. Pauli darf nur 97 Jahre alt werden. Am 1. März 1997 soll es seine Pforte schließen  ■ Von Julia Kossmann

Zum 1. März soll das Hafenkrankenhaus für immer seine Pforten schließen. „Bis zum 28. Februar 1997 werden wir hier arbeiten“, versichert Hartmut Seidel, Chirurg und ärztlicher Direktor, seinen Patienten. Für eine weiterreichende Zukunft der Klinik am Kiez hatte er gestern jedoch wenig Hoffnung. Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel erklärte gestern, statt dessen lediglich eine Ambulanz einrichten zu wollen.

Am Montag war der Schließungs-Vorschlag des Vorstands des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), dem der Verwaltungsrat am 12. Dezember voraussichtlich zustimmen wird, im Hafenkrankenhaus bekannt geworden. In einer spontanen Betriebsversammlung informierte der Personalrat über das drohende Ende. Die Mitarbeitenden seien „kolossal verunsichert“ gewesen, schildert Oberarzt Konrad Rippmann die Stimmung.

„Benachteiligt, gedemütigt, bestraft“ fühlt sich Seidel. Fast ein Jahr lang hatten er und eine Arbeitsgruppe aus VertreterInnen von Klinik, Kassen und Gewerkschaften ein Konzept zur Umstrukturierung des Hafenkrankenhauses erstellt. Es sah eine Reduzierung der 203 Betten auf 165 vor. Mit dem AK Altona war eine enge Kooperation geplant, des weiteren mit der Ambulanz der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in der Stresemannstraße. Das AK Altona und die KV hatten diese Pläne begrüßt. So hätte zugleich gespart und die medizinische Versorgung im Viertel optimiert werden können. Nun wird das Konzept im Papierkorb des LBK-Vorstands vermutet, Seidel spricht von „Hinhaltetaktik“.

Der Vorstand hatte sich im vergangenen Jahr, nachdem mehr als 100.000 Menschen gegen die damals schon geplante Schließung protestiert hatten, tendenziell für den Erhalt der Klinik ausgesprochen und eben jene Arbeitsgruppe mit der Planung für eine Zukunft des – zu 90 Prozent ausgelasteten – Betriebs beauftragt. Doch der Druck der Krankenkassen ist nun offenbar zu stark geworden.

Das größte Sparopfer und dessen Konsequenzen – wie zum Beispiel arbeitslose Krankenpfleger und mangelhafte medizinische Versorgung – muß der ohnehin mit vielen Problemen kämpfende Stadtteil aufbringen. Der LBK jedoch kann durch den Verkauf des Geländes am Zirkusweg, dessen Wert auf 200 bis 400 Millionen Mark geschätzt wird, weitere Haushaltslöcher stopfen – jährlich fehlen dem LBK etwa 170 Millionen Mark.

Die 400 Mitarbeitenden des Hafenkrankenhauses sollen weitgehend in anderen Kliniken Jobs finden. Die Abwicklung soll „sozialverträglich“ stattfinden. Der LBK-Vorstandsvorsitzende Dr. Mellmann soll jedoch den Mitarbeitenden geraten haben, auf Proteste zu verzichten, da das sonst mit der „Sozialverträglichkeit“ noch so eine Sache werden könne.

Bis zum 12. Dezember will Hartmut Seidel hartnäckig auf die medizinische Notwendigkeit des Hafenkrankenhauses hinweisen, um den LBK noch umzustimmen: „Mehr bleibt uns nicht.“ Zu befürchten ist jetzt schon, daß der Weggang von KollegInnen, die vorzeitig andere Stellen finden, den Betrieb vorzeitig lähmen könnte.