Der Dealer macht Kasse ...

... für Theo Waigel: Am 29. und 30. November werden die deutschen Pokermeisterschaften in Hamburg ausgezockt  ■ Von Julia Kossmann

„Wenn ich gewonnen habe, stehe ich auf und gehe.“ So erklärt Horst Koch, einer der wenigen Profi-Zocker und deutscher Pokermeister 1995, warum er von seinem „spielerischen“ Beruf leben kann. In privaten Pokerrunden – die natürlich verboten sind, wenn es um echtes Geld geht und der Staat nicht mitverdient – ist solch– rasches Verlassen des Tisches natürlich eine delikatere Angelegenheit, die – glaubt man gängigen Kintop-Klischees – auch tödlich enden kann.

Viel sicherer sei dagegen Pokern in der Spielbank, wirbt Eckhart Lemke. Er ist der technische Leiter der 4. Deutschen Pokermeisterschaft, um die am 29. und 30. November in der Hamburger Spielbank gezockt wird. Auch mit dem Meisterturnier will Lemke die „privaten, anonymen Spieler aus den Hinterzimmern ins Casino holen“.

Verglichen mit traditionellen Glücksspielen lasse Poker den Spielenden mehr Einflußmöglichkeiten, weil es dabei nicht nur aufs Glück, sondern auch auf Gedächtnis, Kombinationsgabe und Risikokalkulation ankomme, erzählt Mathias Reineke, einer der „Dealer“, die die Spielrunden im Hamburger Casino leiten. Hier wird seit April 1994 gepokert. Das erste Spielchen wagte damals übrigens Kultursenatorin Christina Weiss im Kreise von Hamburger Kulturschaffenden. Ein später glückloser Kammerspiele-Intendant gewann dabei 10.000 Mark für die Renovierung seines Theaters – wie gewonnen, so zerronnen.

Im Casino Baden-Baden wird bereits seit gut sechs Jahren gepokert. Was im kapitalistischen Vorzeigestaat USA als „Volkssport“ zählt, ist seitdem auch offiziell – natürlich staatlich kontrolliert und abkassiert – in deutschen Casinos erlaubt. Und „dabei kommt das ganze Ich raus“, will Profi-Zocker Horst Koch beobachtet haben. Es muß sich bei Zockern also um sehr Ich-starke Persönlichkeiten handeln, gelingt es ihnen doch, sich den freudig-erhöhten Blutdruck beim Anblick einer erfolgversprechenden Kombination wie Vierer, Straße oder Flush nicht anmerken zu lassen.

Mit Pokerface gewappnet und in der Hoffnung, mit ein paar tausend Mark Einsatz den Hauptgewinn von 100.000 Mark abzuzocken, werden sich zur 4. Deutschen Pokermeisterschaft 70 PokerspielerInnen in Hamburg treffen. Gespielt wird nach dem „Freeze out“-System, wobei ein Höchsteinsatz festgesetzt und solange gespielt wird, bis alle Spielenden – bis auf den Gewinner aus der Runde – ausgestiegen sind. Rund zwanzig professionell geschulte „Dealer“ werden die Turnierspiele, für die weitere Tische aufgestellt wurden, leiten. Sie haben auch darauf zu achten, daß vom Pot, den gesammelten Einsätzen auf dem Spieltisch, fünf Prozent im „tax“ verschwinden, dem Schlitz für Theo Waigels Kasse. Im zweiten Schlitz des Spieltisches, dem „tronc“, landen die Jetons, von denen die „Dealer“ leben.

100.000 Mark winken in Hamburg dem besten Pokerface, 35.000 Mark gibt's für das zweitbeste. Für die Plätze drei bis sieben sind Preise von 15.000 bis 3.000 Mark ausgelobt. Und für den achten Platz gibt's immerhin noch eine Reise nach Las Vegas, wo eines Tages auch der gelernte Kaufmann Horst Koch im Urlaub seine neue Profession entdeckte. Der Schwabe hat sein erstes Häusle schon gebaut, um das zweite muß er nur noch etwas pokern.

Vorrundenturniere finden am 21./22.11. u.a. in Berlin, Bad Oenhausen und Hamburg statt. Anmeldung für Hamburg: 447044 und 4501760 (ab 14 Uhr), Fax: 440380.