Ziemlich dicke Luft

■ Autoschlangen und Verkehrsstau: Sylter Ferienorten droht der Entzug des Prädikats 'Heilbad'

Deutschlands beliebtester Nordseeinsel Sylt droht möglicherweise der Entzug des Prädikats „Nordseeheilbad“. In einer Analyse kommt das Wetteramt Schleswig zu dem Schluß, daß die Konzentration von Schwefeldioxid in bestimmten Monaten drastisch steige. Das Amt hatte zwischen Juli 1993 und August 1994 im Auftrag der Bädergemeinschaft Sylt die Luftverunreinigung auf der Insel untersucht. Ein entsprechendes Gutachten verlangt das Kieler Sozialministerium von allen schleswig-holsteinischen Kurorten. Nach dessen Ergebnis richtet sich das jeweilige Prädikat.

Die Werte waren so schlecht, daß Westerland und das benachbarte Wenningstedt möglicherweise ihren Status als Nordseeheilbäder verlieren. Grund ist die Autoflut, in der die knapp 40 Kilometer langgestreckte Insel in den Sommermonaten zu ersticken droht. An großstädtische Straßenverkehrsverhältnisse erinnernde Autoschlangen sorgen für dicke Luft.

Immer öfter hatten in der Vergangenheit Urlauber über die sommerliche Autoflut geklagt. Die wenigsten waren aber bereit, in den schönsten Wochen des Jahres auf die eigenen vier Räder zu verzichten. Hintergrund ist allerdings auch das nach wie vor wenig attraktive Nahverkehrssystem von Sylt. Wer beispielsweise in den nördlichsten Inselort List mit dem Bus fahren will, muß von Westerland aus für die einfache Fahrt 5,60 Mark bezahlen. Ein Umweltticket oder Familientarife gibt es nicht.

Seit mehreren Jahren fordert Westerlands Bürgermeisterin Petra Reiber ein zeitgemäßes Nahverkehrssystem. Doch bislang blieb es nur bei Gutachten und Konzepten. „Und so lange müssen wir auch mit Staus und schlechter Luft leben, wenn zur Saison etwa bei schlechtem Wetter alles nach Westerland strömt“, sagt Reiber. Solange eine bereits geplante östliche Umgehung von Westerland direkt hinter der Entladung des Autozugs nicht realisiert werde, könne man keine Entspannung erwarten.

Wie das Sozialministerium auf das Gutachten reagiert, ist noch offen. Die Gutachter aus Schleswig jedenfalls plädieren für „Zufahrtsbeschränkungen“ zur Insel und eine umfassende Verkehrsberuhigung. Wie so etwas umgesetzt werden könnte, weiß auf Sylt zur Zeit aber noch niemand.

Peter Sawallich