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Humor im Kampf der Einfalt

■ René Block stellte seltene Fluxus-Dokumente in der HfbK vor

Den Geist von Fluxus hatte George Brecht mit Kampf gegen Einfalt, spontaner Entwicklung von selbstverständlichem Humor, Weisheit und Gerechtigkeit umschrieben. Naivität als Provokation. Der Ausstellungsmacher René Block, der Dienstag und Mittwoch in der Hochschule für bildende Künste aus dem Nähkästchen der Bewegung plauderte, beschrieb die Bedeutung von Fluxus wie folgt: „Die Vernetzung von Orten und Gedanken erscheint mir das wesentlichste dieser letzten internationalen Kunst-Bewegung der Moderne; und die Postmoderne ist ein Ergebnis ihres erarbeiteten Null-Punktes.“

Block eröffnete in seinen beiden Vorträgen die Möglichkeit, sich sehend und hörend der wichtigsten und unterbewertetsten Kunstrichtung der letzten 35 Jahre in seltenen Film-Dokumenten hinzugeben. Und Block, Jahrgang 1942, weiß, was es mit Happening, Fluxus und Kapitalistischem Realismus auf sich hat. 1964 eröffnete er eine kleine Galerie in Berlin, die heute Kunstgeschichte ist. Die erste Vernissage trug den Titel „Neodada, Pop, De'collage, Kapitalistischer Realismus“ und stellte Brehmer, Hödicke, Lueg, Polke, Richter, Vostell und andere aus.

Durch Wolf Vostell entstand der Kontakt zur internationalen Fluxus-Bewegung. Bereits Ende des selben Jahres folgte Joseph Beuys, für den ein guter Ausstellungsmacher auch ein guter Künstler sein mußte. Da hatten sich zwei gefunden, die die Geister rufen konnten: Alison Knowles, Dick Higgins, Nam June Paik – die ganze legendäre Avantgarde-Riege folgte.

Was am Anfang künstlerischer Mut und finanzielles Risiko war, ist heute Weltmeister-Kunst. Aber Fluxus selber war nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine sich von Konkurrenz-Zwängen befreiende, soziale Richtung von Freigeistern. „Fluxus war etwas für Künstler, nie für bürgerliche Kunsthistoriker und Direktoren.“ Ihr Ahnherr, der Designer George Maciunas, wird für seine Ideen und Konzepte bis heute viel zu wenig gewürdigt.

Fluxus bestand aus einem neuen Begriff von Zeit: Zeit = Musik, und entwickelte sich aus diesem Bewußtsein. George Brecht erklärte Satie zu seinem Urgroßvater, Duchamp zu seinem Großvater und John Cage zu seinem Vater.

René Block vermittelte dies aus von ihm wiederentdeckten Archiv-Aufnahmen des SFBs mit Charme. 30 bis 50 lernwillige Studenten folgten, diskutierten leider zu wenig: diese Geschichte(n) sollten angehende Künstler aus eigenem (Über-)Lebensinteresse parat haben. Im Januar wird Block wiederkommen und mehr zeigen. Selbstverständlich: Pretty Welcome, René Block.

Gunnar F. Gerlach

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