Stricken kommt wieder

■ Ist der Asta-Studentenausschuß unpolitisch oder sind es die StudentInnen? Diskussion

„Nach Jahren komme ich hier wieder an die Uni, und was sehe ich? Kein einziges Flugblatt, dafür ist ,Extrabreit' fett plakatiert.“ Hans Schulze-Eikenbusch fand es nicht gut, wie sich „seine“ Uni Bremen in ihren 25 Jahren verändert hat. Auch Schulze-Eikenbusch hat sich verändert, der ehemalige studentische Politikus vom Marxistisch-Sozialistischen Bund, MSB-Spartakus, ist inzwischen Rechtsanwalt. Jetzt saß er mit einigen Ehemaligen des Allgemeinen Studentenausschusses (Asta) Bremen bei einer Podiumsveranstaltung, und alle fragten sich: „Wie war es früher beim Asta?“

„War früher alles besser?“ fügte Melanie Mittwede an, Asta-Mitglied '96 und Moderatorin der Diskussion. Von Spaßgeneration, konservativen Asten und „Miete statt Marx“ schrieb der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe und verkündete darin den Abgang der politischen, linken StudentInnenvertretung.

Freizeit statt Protest – streift man auf dem Gelände der Bremer Uni in Richtung GW II, dem Gebäude der Geisteswissenschaften, liegt rechts zunächst das Reisebüro mit den Neckermannangeboten. Dahinter, im Studentenhaus, hat auch der Asta sein Domizil. Größter Eye-Catcher an der Pinwand: Bei der Party von den „Geo“-Leuten im Schlachthof gibt's ab zehn Uhr Freibier.

„Wir sind im Rücklauf“, beklagte sich auch Christian Marx, derzeit für den AfA (dem „Asta für Alle“) im Bremer Studentenausschuß und bat die Koryphäen auf dem Podium um „Tips“. Nun ja, erinnerte sich Thomas Bierstedt, ehemals Alternative Asta-Liste (AAL), es habe jedes Jahr im Winter kurz vor den Weihnachtsferien einen Streik gegeben. Und einmal, in den späten Achtzigern, seien gar die Physikstudenten zur Besetzung des eigenen Hauses genötigt worden, um gegen die Verschulung ihres Studiums zu protestieren.

„Der Asta setzt sich zu wenig ein!“ rief einer aus dem Publikum. „Wenn wir eine politische Debatte anfangen, heißt es: ,dumpfe Polemik'“, konterte Christian Marx und nannte als Negativ-Beispiel den Besuch der Staatsanwaltschaft im Asta-Büro vergangene Woche. Zehn Kripo-Beamte suchten die UrheberInnen der Zeitschrift „Bambule“ respektive die AutorInnen eines Textes gegen den Castor-Transport. „Das ehrt euch doch“, entfuhr es dem alten MSBler Hans Schulze-Eikenbusch. Sein linker Podiumsnachbar, Rechtsanwalt Eberhard Ahr (ehemals Sozialistischer Hochschulbund/ SHB) konnte ebenfalls nicht an sich halten: „Warum heißt ihr überhaupt ,Asta für Alle'? Da läuft es mir kalt den Rücken runter. Da sind wir gleich beim Kaffeeklatsch.“

„Das ganze Leben ist ja mittlerweile entpolitisiert“, warf Michaela Kuhnhenne, früher Feministische Liste, ein. So drehte sich die Diskussion munter um die Frage nach dem Ei und dem Huhn. Womit ging es zuerst den Bach hinunter: Mit dem Reformmodell der Bremer Uni, der „linken Kaderschmiede“? Mit dem politischen Selbstverständnis der Studierenden, die Listen wie „Las Vegas“ gründen und für den deutschen Schlager werben? Skandale gibt es ja nur noch, wenn Asta-Leute mit den Studentenbeiträgen auf Reisen gehen (Die taz berichtete über den Flug nach Havanna im Februar '96)? Oder hängt sowieso alles am fehlenden politischen Mandat?

„Das politische Mandat übt man aus, ob man es hat oder nicht“, dozierte Rechtsanwalt Eberhard Ahr. Berufskollege Schulze-Eikenbusch fuhr fort: „Wir haben immer überlegt, wie wir Einfluß nehmen können. Unser Ziel war ja nicht, selbstorganisierte Veranstaltungen gegen die Uni zu setzen.“ Außerdem sei kein Argument verbraucht, nur weil es schon benutzt wurde. Und Schulze-Eikenbusch wurde gar noch ein wenig selbsteinsichtig: „So rosig war es bei uns auch nicht – die Vollversammlungen waren auch nicht immer voll.“

Vielleicht riecht ja sogar so eine Podiumsdiskussion des Bremer Asta – der entgegen des bundesdeutschen Trends immer noch „links“ ist – inzwischen zu sehr nach Privatem: Von 18.000 StudentInnen an der Bremer Uni saßen ganze 15 im Saal. Eine strickte. sip