Gott komponierte mit

■ Der Pianist Herbert Henck präsentiert neue „Ausgrabungen“ aus Rußland

Der dritte Abend von und mit Herbert Hencks „Piano Adventures“ verspricht, seinem Namen alle Ehre zu machen. Denn ein Abenteuer wird das Konzert im Übersee-Museum ganz sicher, wenn Henck Klaviermusik von drei kaum noch bekannten russischen und einem armenischen Komponisten spielt. Henck gilt nämlich als einer der Pioniere für vergessene Klaviermusik; es gibt keinen, der mit so viel Gespür „ausgräbt“ wie er.

Bekannte wie vergessene russische Komponisten des 20. Jahrhundert unterscheiden sich in einem Grundsatz von ihren mittel- und westeuropäischen Kollegen. So ist die geistige Basis ihres Komponierens viel stärker der Philosophie und Religion verhaftet. Das gilt auch für Hencks „Entdeckungen“ Georges Ivanovich Gurdjieff und Thomas de Hartmann.

Der Armenier Gurdjieff studierte „an die zweihundert Religionen“, was natürlich in sein Komponieren eingezogen ist, wenn er zum Beispiel die Stufen einer Tonleiter als das Wirken des selben „göttlichen“ Gesetzes versteht.

Das Zentrum von Alexander Mossolows Werk bilden seine orchestral konzipierten Klaviersonaten, von denen Herbert Henck die fünfte interpretiert. Die technischen Anforderungen gehen an die Grenzen des Ausführbaren.

Nicolas Obouhow hinterließ mit „Livre de Vie“ einen riesigen Werktorso, von dem Teile von der Apokalypse des Johannes inspiriert sind. Weniger religiös inspiriert der Hintergrund des vierten Komponisten Arthur Lourié. Er zählte zu den russischen Futuristen und schrieb mit den 1915 entstandenen „Formen in der Luft“ eines der ersten Modelle graphischer Notation, mit denen nach ihm viele Künstler Musik im Bild sichtbar zu machen versuchten. usl

„Piano adventures“ am Sonntag um 19 Uhr im Überseemuseum