Eier und Tomaten gegen deutsche Diplomaten

■ Iranische Studenten demonstrieren in Teheran gegen den Mykonos-Prozeß. Parlamentspräsident will Deutschland wegen Giftgaslieferungen an Irak verklagen

Teheran (AFP/dpa) – In Teheran haben sich gestern rund 2.000 Studenten zu einer Protestkundgebung vor der deutschen Botschaft versammelt. Sie bewarfen das Gebäude mit Tomaten und Eiern. Hintergrund der Proteste sind die Plädoyers der Bundesanwaltschaft im Berliner Mykonos-Prozeß. Darin wurde die iranische Staatsführung als Auftraggeber des Attentats im Berliner Lokal Mykonos genannt, bei dem 1992 vier oppositionelle iranische Kurden ermordet wurden.

„Nieder mit dem faschistischen deutschen Regime“, riefen die Demonstranten in Teheran. Auf einem Spruchband stand: „Wenn die deutsche Regierung sich nicht entschuldigt, werden wir alle Verbindungen abbrechen.“ Die iranische Polizei bildete einen Sicherheitskordon um die Botschaft.

Parlamentspräsident Ali Akbar Nateq Nuri erklärte gestern, die deutsche Bundesanwaltschaft habe mit ihren Plädoyers eine „rote Linie“ überschritten. Für die nächsten Tage kündigte er eine „entscheidende“ Sitzung des iranischen Parlaments an.

Am Samstag hatte Nateq Nuri Deutschland beschuldigt, den Massenmord an Kurden in der nordirakischen Stadt Halabscha im Jahr 1987 durch Chemielieferungen an den Irak mitverschuldet zu haben. „Die grundlosen Behauptungen der Bundesregierung und der deutschen Justiz“ im Mykonos-Prozeß hätten Iran gezwungen, „sein Schweigen zu brechen und der Welt zu verkünden, daß Deutschland für den Massenmord in Halabscha verantwortlich ist“, zitierte Radio Teheran den Parlamentspräsidenten. Iran werde Deutschland deswegen vor einem internationalen Gericht verklagen.

In der Teheraner Presse wird seit Tagen offen der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Bonn gefordert. Am Wochenende riefen mehrere Zeitungen die iranische Regierung auf, „harte und konkrete Maßnahmen“ gegen Deutschland als Wirtschaftspartner zu ergreifen. Das regierungsnahe Blatt Ahbar schrieb, die Bundesanwaltschaft habe die Regeln des Völkerrechts mit Füßen getreten und damit bewiesen, „daß die Nazis nicht tot sind“. Die englischsprachige Tehran Times forderte die iranische Justiz auf, nicht zu zögern, Bundeskanzler Helmut Kohl und andere deutsche Regierungsvertreter wegen ihrer Verwicklung in die Lieferung von Chemiewaffen an Irak zu verfolgen.

In der den Schiiten heiligen Stadt Qom veröffentlichten hochrangige Kleriker am Wochenende eine Erklärung. Darin heißt es wörtlich: „Die jüngsten Bemerkungen der Neo-Nazis in der deutschen Justiz waren in der Tat eine Beleidigung des Islam, die wir in keiner Weise hinnehmen werden.“