■ Israel: Oberstes Gericht billigt staatliche Foltermethoden
: Fragwürdige Legalisierung

Das israelische Oberste Gericht hat beschlossen, daß eine gemäßigte Art von Folter gegenüber palästinensischen Häftlingen unter bestimmten Bedingungen gestattet ist. Das ist nicht ganz neu. Vor einigen Jahren hat die sogenannte Landau-Kommission empfohlen, daß „gemäßigter physischer Druck“ angewendet werden darf, wenn ein Häftling Informationen über eine bevorstehende Terroraktion besitze. Dies wurde von vielen bejaht: Es sei besser, wenn einer leide, als wenn Dutzende von Unschuldigen sterben.

Die Kommission war eingesetzt worden, nachdem die israelische Presse aufgedeckt hatte, daß bei Verhören routinemäßig Folter angewendet wurde. Die Kommission (der Vorsitzende Moshe Landau war übrigens der Richter Adolf Eichmanns) stellte fest, daß physische Mittel nur unter bestimmten Umständen und in bestimmten Formen angewendet werden dürfen. Diese Mittel waren in einem geheimen Annex des Berichtes festgelegt: Schlafverweigerung, pausenloses Spielen von dröhnender Musik, Fesselung in besonders schmerzhaften Haltungen usw. Ob das offiziell als Folter bezeichnet werden muß – darüber wird gestritten. Manche sahen in dem Kommissionsbericht einen Fortschritt. Wenn gewaltsame Verhörmethoden unausweichlich sind, so sollen sie wenigstens kontrollierbar sein. Andere (darunter auch ich) lehnten es ab, Folter in irgendeiner Form zu billigen. Nicht alle hatten den Mut, offen die Konsequenz zu ziehen: nämlich, daß man bereit ist, Terror in Kauf zu nehmen, durch den man selbst umkommen oder seine Angehörigen verlieren kann. Denn darum geht's.

Jetzt hat das Oberste Gericht, das in Israel als Bollwerk der Demokratie gilt, praktisch die Empfehlungen der Landau-Kommission bestätigt. Viele Israelis begrüßen diesen Beschluß: „Viele Staaten foltern, auch Kulturstaaten wie Großbritannien in Nordirland. Im Kampf gegen Terror ist das notwendig. Aber wir sind der einzige Staat, in dem diese Methoden begrenzt und überwacht werden.“ Israelische Menschenrechtler und Gusch Schalom (zu der ich gehöre) greifen den Beschluß aufs heftigste an: „Wir sind der einzige Staat, der Folter offiziell anerkannt. Das ist noch schlimmer als eine illegale Anwendung. Wer kann gewährleisten, daß das in den vorgeschriebenen Grenzen bleibt?“ Die meisten Israelis wollen aber von der ganzen Sache nichts wissen: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Uri Avnery

Der Autor lebt als Publizist in Tel Aviv