„Nicht auf zu unbequeme Weise ...“

Erneut rechtfertigt der Oberste Gerichtshof in Israel die Anwendung von Folter. Gefangene werden gefesselt und müssen in der Hocke stehen, einen stinkenden Sack über dem Kopf  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem hat am Sonntag erneut eine Reihe von Folterpraktiken bei Schabak-Verhören genehmigt. Gleichzeitig lehnte das Gericht das Gesuch eines palästinensischen Untersuchungshäftlings ab, der auf ein Verbot der Folter geklagt hatte. Der Kläger Khader Mubarak aus dem Westbank-Ort Beit Sahur war vor einem Monat unter dem Verdacht verhaftet worden, ein prominenter Hamas-Aktivist zu sein und Informationen zu besitzen, die dem israelischen Geheimdienst bei der Verhütung zukünftiger Terroranschläge nützen könnten. So jedenfalls die Erklärung des Inlandsgeheimdienstes Schabak in dieser Sache.

Der Anwalt des Palästinensers, Andre Rosenthal, hatte vor dem Obersten Gericht die vom Schabak angewendeten Foltermethoden scharf angegriffen. Unter anderem wies er auf die vom Schabak seit Jahren verwendeten Foltermethoden hin. Er führte an, daß Gefangene über Stunden gefesselt in der Hocke stehen müßten, was aufgrund der Verrenkung besonders schmerzhaft sei. Verschärft werde diese Methode noch dadurch, daß der Kopf des Gefangenen währenddessen in einen stinkenden Sack gesteckt werde, die Arme auf dem Rücken gefesselt. Rechtsanwalt Rosenthal widersprach ausdrücklich dem offiziellen Argument des Geheimdiensts und der Staatsanwaltschaft, daß es sich bei den Verhören nur „um normale Untersuchungen ohne physische Gewaltanwendung“ handele.

Staatsanwalt Shaj Nizan argumentierte vor dem Obersten Gericht, daß eine Sonderbehandlung wie im Fall Khader Mubarak nur bei relativ wenigen Untersuchungshäftlingen zur Anwendung komme. Bei besonders gefährlichen Verdächtigten genügten die üblichen Mittel wie Augenbinden und Fesseln während der Verhöre) nicht. Vielmehr müsse die Technik des Schlafentzugs länger angewendet werden, um möglicherweise lebensrettende Informationen so rasch wie möglich zu erhalten.

Viele Hunderte von palästinensischen Gefangenen haben im Laufe der fast 30jährigen Besetzung persönliche Erfahrungen mit israelischen Foltermethoden machen müssen, die in einer Reihe von detaillierten Berichten der israelischen Menschenrechtsorganisation Betzelem und des israelischen Komitees gegen Folter dokumentiert sind. Nach Einsicht in Schabak-Geheimberichte stellten die Obersten Richter Eliezer Goldberg, Michael Cheshin und Dalia Dorner in ihrer Entscheidung fest, daß die vom Schabak angewendeten Methoden und „Verhörtechniken“ in Mubaraks Fall gerechtfertigt sind. Die Fesseln sollten jedoch nicht so hart angezogen werden, daß sie Schmerzen verursachen. Der Staatsanwalt mußte den Richtern versprechen, daß die Gliedmassen der Sonderverhörten nicht „auf zu unbequeme Weise“ nach rückwärts gebunden werden. Bereits am vergangenen Donnerstag hat das Oberste Gericht den Einspruch von Rechtsanwalt Rosenthal gegen Folter bei Schabak-Verhören eines anderen palästinensischen Häftlings, Abed El-Aziz Hamdan, abgelehnt und die geforderte „Sonderbehandlung“ durch Geheimdienstleute gebilligt. Ein wenige Tage zuvor erlassenes Folterverbot, das Rosenthal in diesem speziellen Fall erwirkt hatte, war damit aufgrund des Einspruchs der Staatsanwaltschaft wieder aufgehoben worden. Israel ist wohl das einzige demokratische Land, in dem das Oberste Gericht Folter ausdrücklich erlaubt. Damit verstößt das Land gegen die Internationale Konvention gegen Folter, die Israel 1991 ratifiziert hatte. In einer Erklärung machte der israelische „Friedensblock“ darauf aufmerksam. Im Laufe der Jahre haben ausländische Pathologen und Rechtsanwälte einige Todesfälle von Palästinensern bei Schabak- Verhören ausdrücklich den Foltermethoden zugeschrieben, die hier praktiziert werden. Das israelische Komitee gegen Folter hat gegen die Entscheidungen des Obersten Gerichts scharf protestiert.

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