: Pralinen ohne Stachel mit Praline
■ Georg Schramm bot im Kito nur wenige Beweise für seine behauptete Bösartigkeit
Meist dient das Herumhacken auf Staatsgewalt, Beamtenmentalität und Spießerseele im politischen Kabarett nur dem Bestätigen der eigenen Vorurteile und dem Sich-selbst-Weismachen, daß man ein besserer, weitsichtigerer Mensch ist als sein Nächster. Sollte ein Kabarettist über die Stränge schlagen und tatsächlich an den Wertvorstellungen seines nicht schlecht zahlenden Publikums kratzen, wird er als geschmackloser, bösartiger Störenfried empfunden.
Mit diesem Ruf kann man wunderbar kokettieren, leicht aber gerät das zur hohlen Geste. Allzu genüßlich und häufig betonte der Kabarettist Georg Schramm, am Dienstag im Rahmen des 4. Kabarett-Festivals zu Gast im Kito, wie bösartig er sei und wieviele Haßbriefe er deswegen bekäme. Das wirkte wie vorbeugende Entschuldigungen eines Menschen, der als eigentlich doch ganz nett durchgehen möchte. Die Ankündigung, im ersten Teil würde er sich über „Krankheit, Krieg und Tod“ und im zweiten über „Arbeitslose und alte Menschen“ lustig machen, klang zwar vielversprechend, aber ein Beispiel für die angedrohte Boshaftigkeit blieb lange aus. Da brachte er naheliegende und laue Scherze über Abenteuerreisen in Krisengebiete wie „den Kidnapping-Bereich Lateinamerika oder die leergeschossenen Strände Ex-Jugoslawiens“ und den Unterschied zwischen ClubMed und deutschen Soldaten: „Der Club Mediterrané hat noch keinen Krieg verloren.“ Danach schmückte sich Schramm verstärkt mit fremden Federn. So erzählte er einen Klassiker unter den Kindesmißbrauchswitzen, den er als eigenes Werk darstellte.
Schließlich aber versöhnte er mit tatsächlich komischen Nummern. Beispielsweise die über den Mann, der seiner krebskranken Frau gerne ausgefallene Geschenke macht wie die 12er-Packung „Mon Cherie“ zum Geburtstag und die 24er-Packung zu Weihnachten („Da ist der Weihnachtsstern schon drauf; muß man gar nicht mehr einpacken“): „Das ißt sie beides gern.“ Oder die über den verbitterten Rentner, der bei den Grauen Panthern eine Parallele zu den amerikanischen „Black Panthers“ sieht: „Da drüben ist ja auch keiner freiwillig Neger!“
Andreas Neuenkirchen
Das MosKito-Kabarett-Festival läuft noch bis zum 25.11. Täglich um jeweils 20 Uhr sticht ein neuer Gast zu: Am Freitag ist es Matthias Deutschmann, Samstag Erwin Grosche, Sonntag Reiner Kröhnert, und zum krönenden Abschluß am Montag Mattthias Beltz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen