Proteste gegen Bayerns 218-Kurs

Kritik an Weigerung einer bayerischen Krankenkasse, Abtreibung im Nachbarland zu bezahlen. SPD legt Antrag gegen 218-Weisung des Sozialministeriums vor. Juristischer Schlingerkurs  ■ Von Karin Gabbert

Die Weigerung einer bayerischen Krankenkasse, die Abtreibung einer Frau in Baden-Württemberg zu bezahlen, hat bei Juristen Empörung ausgelöst. „Das ist eklatant rechtswidrig“, erklärte gestern Klaus Hahnzog, SPD- Rechtsexperte in Bayern, gegenüber der taz. Auch Anwältin Sibylle Raasch, Mitverfasserin der Klage gegen das bayerische Sondergesetz, die letzte Woche beim Bundesverfassungsgericht eingelegt wurde, äußerte sich verärgert: „Das ist ein dickes Ding. Nach dem Bundesrecht müssen selbst Schwangerschaftsabbrüche im Ausland bezahlt werden, wenn sie auf Krankenschein erfolgen.“ Der Fall zeige, „was dabei rauskommt, wenn man versucht, ein Klima der Verunsicherung zu schaffen“.

Die AOK-Zentrale in Bayern dagegen wollte sich gestern nicht zu dem Fall äußern. Die taz hatte am Freitag über eine Frau aus Bayern berichtet, die ihre Abtreibung in Baden-Württemberg nicht von der Krankenkasse erstattet bekam. Die Geschäftsstelle der AOK in Miesbach hatte die Weigerung in ihrem Schreiben an den Arzt in Ludwigsburg damit begründet, daß nicht klar sei, ob die Praxis dem bayerischen Sondergesetz zum Paragraphen 218 entspreche.

Franz Bachl von der Münchener AOK-Zentrale erklärte, er habe das bayerische Sozialministerium um Aufklärung gebeten. „Wenn mir das Ministerium sagt, daß der Freistaat das Geld für den Schwangerschaftsabbruch erstatten wird, dann bekommt der Arzt auch das Geld.“

Ein Brief aus dem bayerischen Sozialministerium vom 27. September, der der taz vorliegt, hatte die Verunsicherung der Kassen noch verstärkt. Darin werden die Kassen angewiesen, schon ab dem 1. Oktober nur Kosten für Abbrüche zu übernehmen, die bei Gynäkologen durchgeführt werden. Das Ministerium sah sich gestern nicht in der Lage, zu dem Inhalt des Schreibens offiziell Stellung zu nehmen. Die Weisung entspreche aber durchaus dem bayerischen Sondergesetz, so ein Sprecher.

Das Ministerium wolle aber in den nächsten Tagen Klarheit schaffen. Unterdessen hat die SPD im bayerischen Landtag einen Dringlichkeitsantrag gegen die Weisung eingebracht. Auch gerichtlich droht dem Sozialministerium Ärger. Gegen deren Weisung hat der Chef einer bayerischen Spezialklinik für Abtreibungen Klage eingelegt.

Der betroffene Arzt, der kein Gynäkologe ist, hat seit dem 1. Oktober bereits Außenstände von 70.000 Mark zu verzeichnen. Ein Sprecher des Sozialministeriums erklärte dazu lapidar: Der Kläger könne ja weiter Abbrüche vornehmen, jedoch ausschließlich bei Privatpatientinnen.