Nur noch wenig zu lachen

■ Dafür aber total regional: Der WDR reformiert wieder einmal sein erfolgloses Drittes. Ein neues Programmschema soll nun vom 18. Januar 97 an Quote machen

Hurra, die „Tagesschau“ ist wieder da! Die Zuschauer des WDR- Fernsehens dürfen sich freuen: Ab dem 18. Januar brauchen sie nicht mehr umzuschalten, um Dagmar Berghoff zu lauschen. Natürlich gab es die „Tagesschau“ auch früher schon mal beim WDR zu sehen. Doch dann starteten die Kölner – lange vor Kogels „Voller Stunde ...“ – irgendwie todesmutig ihr Abendprogramm um 20.00 Uhr, und bei der letzten Reform im Jahr 93 begann man wieder nach der „Tagesschau“, aber ohne die „Tagesschau“. Und nun also wieder mit Dagmar Berghoff.

Hervorstechendstes Merkmal der jetzigen Reform, die von dem zum „Umstellungsbeauftragten“ bestellten Chefredakteur Nikolaus Brender in den vergangenen Monaten ersonnen wurde, ist jedoch die Erweiterung der NRW-Berichterstattung mit einer Kernzeit zwischen 18.00 und 20.00 Uhr. Mit „Verdammt lang her“ (Nein, es wird nicht gesungen) gibt's da etwa einen „unterhaltsamen“ Rückblick in die Geschichte des Landes. (Gab es da soviel zu lachen?). Darüber hinaus wird die „Lokalzeit“ vor 20.00 Uhr auf 30 Minuten ausgedehnt, und obendrein kommt künftig um 12.30 Uhr noch ein nagelneues Mittagsmagazin („NRW am Mittag“) ins Haus.

„Programmauftrag“ nennt Intendant Fritz Pleitgen den Grund für diese verstärkte NRW-Präsenz, doch dieser Auftrag sah bei der letzten Reform auch nicht anders aus. Was die WDR-Riege eigentlich zum Handeln trieb, heißt auch in den Dritten längst Quote. Und die ist miserabel. Mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 4,5 Prozent liegt das WDR-Fernsehen auf der Rangliste der Dritten derzeit gerademal auf dem drittletzten Platz.

Nimmt man hinzu, daß die Letztplazierten (ORB, HR) für ihr Programm einen wesentlich geringeren Aufwand treiben, ist das Ergebnis für den WDR schlicht katastrophal. Und so haben die Kölner das mit der verstärkten Regional- Berichterstattung im wesentlichen bei den Spitzenreitern wie MDR, NDR und BR abgeguckt.

Am Nachmittag wird demnächst die „Lindenstraße“ mit der Wiederholung sämtlicher Folgen seit ihrem Beginn zur Daily-Soap, und ab Herbst 97 ist zudem eine neue wöchentliche Spielserie in Planung. Nur der Abend läßt beim WDR weiterhin wenig System erkennen. Zwar hat man die Spielfilme weitgehend aufs Wochenende konzentriert, dafür wechseln die unterschiedlichsten Längen und Formate. Mal Heimatmusik plus Senioren-Magazin, mal Live- Talk, mal Naturkundliches. Die Quotenkiller Kultur, Geschichte oder Politik werden durchgehend auf den späten Abend verbannt. (Das trifft auch das Medien-Magazin „Parlazzo“, das lange Zeit grundsätzlich in der Diskussion stand und künftig am Donnerstag läuft.) Setzte man bei der letzten Reform noch auf eine Unterhaltungsoffensive (ein Running-Gag in Sachen Superflop: „Die Lou- van-Burg-seine-Tochter-Show“) gibt's künftig kaum noch was zu lachen: Allein „Zimmer frei“ mit Götz Alsmann und Co-Moderatorin Christine Westermann kommt wieder ins Programm.

Innerbetrieblich geht die Reform mit einer Reihe von Straffungen in Organisation und Produktion einher. Ähnlich wie beim Hörfunk wird es künftig eine Art Wellenchef fürs Dritte geben, der noch in diesem Jahr berufen werden soll. Daß der anders heißen könnte als Nikolaus Brender, steht kaum zu erwarten. Ein neuer Job im WDR, der nicht zuletzt die Position von Fernsehdirektor Jörn Klamroth, zuletzt nur mit knapper Mehrheit im zweiten Wahlgang wiedergewählt, weiter schwächt. Und wenn Brender Chef des Dritten wird, bräuchte der WDR auch einen neuen Chefredakteur. Vielleicht aber auch nicht. Während der letzten Monate ging es ja praktisch auch ohne. Reinhard Lüke