Dramatische Flugzeugentführung aus Äthiopien

■ Eine Gruppe von Äthiopiern, die sich als Regimegegner ausgeben, kapert eine Passagiermaschine. Sie stürzt in den Indischen Ozean – 121 Insassen sterben

Moroni/Berlin (AFP/taz) – Die Entführung einer äthiopischen Passagiermaschine am Wochenende hat vermutlich 121 Todesopfer gefordert. Nur durch Zufall überlebten 54 der 175 Insassen der Boeing 767 von „Ethiopian Airlines“, als diese am Samstag in der Nähe der Komoren ins Meer stürzte. Unter den Überlebenden waren auch zwei der Entführer, die angaben, Gegner der äthiopischen Regierung zu sein. Das aus Indien kommende Flugzeug war nach der Landung in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba auf dem Weg nach Nairobi im benachbarten Kenia gewesen, um von dort nach Westafrika weiterzufliegen, als eine Gruppe von drei Männern ins Cockpit stürmte. Bewaffnet mit einem Handfeuerlöscher, einer Axt und einer Whiskeyflasche, verlangten sie, nach einer Zwischenlandung in Mauritius nach Australien geflogen zu werden. Aber bis Mauritius reichte der Treibstoff nicht. Beim Versuch einer sanften Landung auf den Komoren-Inseln, als bereits ein Triebwerk ausgefallen war, streifte das Flugzeug die Wasseroberfläche und zerbrach.

Es war die siebzehnte Entführung einer Maschine der „Ethiopian Airlines“. Diesmal sprachen die Entführer nach Angaben überlebender Passagiere Amharisch; sie gaben an, gerade aus dem Gefängnis entlassen worden zu sein, und forderten Verhandlungen mit der äthiopischen Regierung. Der Kopilot des Flugzeugs sagte, die Entführer hätten angegeben, einer politischen Gruppe anzugehören, aber nicht, welcher. Die Amharen stellen einen Großteil der Oberschicht Äthiopiens und regierten das Land bis zur Machtübernahme der in Tigre basierten Guerillafront EPRDF 1991. Seitdem werden einige amharische Gruppen, wie auch Organisationen anderer Minderheiten in Äthiopien, von der neuen Regierung verfolgt. Einige kämpfen im Untergrund.

Ob es sich bei der Flugzeugentführung tatsächlich um eine Aktion einer politischen Gruppe handelte, blieb gestern offen. Äthiopische Exiloppositionelle in Deutschland wiesen gestern jede Beteiligung ihrer Organisationen an einer solchen Aktion zurück. Einer sagte, daß die am ehesten in Frage kommende „All-Amhara People's Organisation“ (AAPO) unter einer solchen Aktion eher zu leiden hätte, da ihr Vorsitzender in Äthiopien im Gefängnis sitze und daher Repressalien ausgesetzt sei. Er wies darauf hin, daß letzte Woche ein Machtkampf in der äthiopischen Führung ausgebrochen sei, bei dem Vizepremierminister Tamratline wegen eines Streits mit Ministerpräsident Meles Zenawi verhaftet worden sei. „Die Sache könnte mit diesen Differenzen zu tun haben“, meinte er. D.J.