Leih den Löwen

■ „Triviale Tropen“ – ein Kongreß zum exotischen Film der Zwanziger Jahre

Immer wenn der Zoo-Löwe bedrohlich ins Bild kam, lachte das Publikum: die Fähigkeit, die Machart der Filmbilder zu durchschauen, ist nach siebzig Jahren deutlich gestiegen. Aber was bedeutete die Flut von exotischen Filmen in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen wirklich für das damalige Publikum? Was lockte so an den Trivialen Tropen – so der Titel des 9. Filmhistorischen Kongresses, der Sonntag in Hamburg zu Ende ging?

Einmal trat der Film – teils auch in personeller Verknüpfung – die Nachfolge der Hagenbeckschen Völkerschauen an und bediente die Neugier auf die große, weite Welt. Man bemühte sich trotz meist märchenhafter Handlungsabläufe um Authentizität und lieh sogar Ethnografica aus den Völkerkunde-Museen aus, ohne daß damit Studioszenen weniger expressionistisch wirkten.

Dann kompensierte der exotische Film den 1918 besiegelten Verlust der deutschen Kolonien, aber gleichzeitig konnte die „unverdorbene“, wilde und magische Welt zum Vorbild germanischer Tugenden werden: Der damals berühmte Reporter Colin Ross, der wie ein Offizier auf Erkundungspatrouille herumfuhr, wurde ab 1933 ein Propagandist des NS-Staats. Jugendliche deutsche Haudegen reisten „Mit Büchse und Kamera“ durch Afrika, Asien und Südamerika und eigneten sich materielle Güter und ersatzweise möglichst fremdartige Bilder an. Die Grenzen zwischen Spielfim und dokumentarischem Kulturfilm waren dabei durchlässig, filmen konnte man ohnehin nur den „zahmen Wilden“.

Wenn im Dokumentarfilm über eine Amazonasexpedition 1936 der erste Indio „Winnetou“ genannt wird, wird überdeutlich, worin sich Filmhistoriker und Ethnologen einig waren: Authentizität an sich ist nicht erreichbar, alles wird zum Dokument der jeweiligen Projek-tion eines vorgefaßten Bildes. Doch trotz aller Problematisierung von Fremd- und Selbstwahrnehmung, die Filme brachten auch Vergnügen. Hajo Schiff