■ Berliner Grüner tritt wegen „Komplimenten“ zurück
: Schutz vor charmanten Übergriffen

Man macht sich ja kein Bildnis. Erst kürzlich noch, beim Fernsehbericht vom letzten Bündnisgrünen- Parteitag, als die Kamera so durch die Reihen schwenkte, hatte man gedacht: „Das sind ganz liebe Menschen, gerade auch die Männer. Anders als die andern. An denen kannst du das erschütterndste Dekolleté vorbeitragen, und sie werden keine Miene verziehen.“

Im Parteiprogramm geforderte Gleichheitsgrundsätze schienen übererfüllt; die wissen unter Umständen gar nicht, ob Frau oder Mann, Schwarz oder Weiß, anders begabt oder mental herausgefordert, neben ihnen sitzt. Sind auf diesem Auge blind! Vertrauen, Geborgenheit und Wärme herrschen statt dessen, in denen eine Frau sich auch im schönsten Chanel noch vor Übergriffen sicher weiß. Die chinesische Kulturrevolution mit ihren egalisierenden Blaumännern würde gelb vor Neid.

Aber jetzt platzt die Bombe in dieses prägenitale Idyll. In schummrigen Kneipen machen des Nachts, wenn sie sich unbeobachtet glauben, Mitglieder gegenüber Mitgliederinnen – oder Mitclit, wie es früher hieß – aus dem Hinterhalt Komplimente. „Du hast schöne Augen“, hatte das Berliner Parteimitglied Kambiz Behbahani letztens zu seiner arglos neben ihm sitzenden Parteifreundin A.K. gesagt und unverfroren nach ihrer Hand gegrapscht. Als das Opfer gerade noch ein „Laß das!“ hervorstoßen konnte, habe sich Behbahani – der inzwischen seinen Posten im bündnisgrünen Bundesvorstand niedergelegt hat – entschuldigt. Der Abend sei danach ganz normal weitergegangen.

Ganz normal, ja. Werden in Deutschland schon wieder Menschen in aller Öffentlichkeit begrapscht, beglotzt und mit Komplimenten fertiggemacht?

Aber noch ist nicht alles verloren. Der Rechtsanwalt Christian Ströbele versicherte den verängstigten Frauen, der Geschäftsführende Ausschuß befasse sich schon seit Wochen mit dem Thema und nehme dieses auch „sehr ernst“. Die Betroffenen (auch ein zweiter Fall wurde aktenkundig, in den ein „gutaussehender Schauspieler“ verwickelt ist, der ohnehin schon durch „Selbstherrlichkeit“ unangenehm aufgefallen war) wollen ihre Anonymität gewahrt wissen; ihre Äußerungen müßten bereits als Beweise akzeptiert werden. Diskutiert wird die Einrichtung einer Frauenbeauftragten. Auch, ob gemischte Gremien auf Landesebene unter diesen Umständen noch tragbar seien, ist die Frage. Die taz bietet ab sofort Schutz vor charmanten Übergriffen. Mariam Niroumand