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Asyl: Unbekannt verzogen

Im „sicheren Drittland“ Polen sehen sich Flüchtlinge getäuscht. Anstatt eines Asylverfahrens bekommen auch in Deutschland abgewiesene Flüchtlinge meist sofort Abschiebearrest  ■ Aus Berlin Vera Gaserow

Außereuropäische Flüchtlinge, die in Polen Schutz vor politischer Verfolgung suchen, haben dort so gut wie keinen Zugang zu einem Asylverfahren. Das gilt auch für Flüchtlinge, die ohne Prüfung ihres Asylgesuchs vom deutschen Grenzschutz in das „sichere Drittland“ Polen zurückgeschoben werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Berliner Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM) nach Besuchen in drei polnischen Abschiebearresten. Nach Gesprächen mit den dort Inhaftierten, so konstatiert die FFM, „bleibt der Eindruck behördlicher Willkür“.

Die 122 Flüchtlinge aus verschiedenen asiatischen Ländern, die man in den Arresträumen angetroffen habe, hätten nicht gewußt, daß sie sich in Abschiebehaft befanden. Die polnischen Behörden hatten sie in dem Glauben gelassen, daß sie dort auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten müßten.

Tatsächlich jedoch hatten überhaupt nur sechs Insassen einen Asylantrag gestellt. Das polnischsprachige Formular, das die Behörden den übrigen als „Asylantrag“ vorgelegt hatte, war in Wahrheit die Anordnung der Abschiebehaft. Unter den 122 Abschiebehäftlingen waren auch 21 abgewiesene Flüchtlinge, die der Bundesgrenzschutz in Frankfurt (Oder) den polnischen Behörden überstellt hatte.

Insassen des Abschiebearrests Konin berichteten, nach einer fünf- bis fünfzehnminütigen Anhörung bei der Staatsanwaltschaft habe man ihnen versichert: „You sign these papers and you will go out without any problems.“ Danach würden sie in ein Flüchtlingsheim des UNO-Flüchtlingskommissariats gebracht.

Doch statt in Freiheit landeten die Flüchtlinge im Abschiebearrest der Polizeistation. Das Büro für Migration und Flüchtlinge in Warschau, das in Polen für die Annahme und die Bescheidung von Asylanträgen zuständig ist, hat sich bisher offenbar nicht um die Insassen der Abschiebearreste gekümmert. Das Migrationsbüro war nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Rückübernahmeabkommens mit bundesdeutschen Geldern aufgebaut worden.

Es gilt den deutschen Behörden seitdem als Beleg dafür, daß zurückgewiesene Flüchtlinge in Polen ein ordnungsgemäßes Asylverfahren erwartet. Die Migrationsbehörde war den inhaftierten Flüchtlingen jedoch gänzlich unbekannt, niemand hatte sie über deren Existenz informiert.

Im polnischen Elblag, nördlich von Warschau, bestätigte der verantwortliche Hauptmann für den Abschiebearrest die Willkür. Weil keine Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden, sei eine Verständigung mit den Flüchtlingen nicht möglich. Er selbst habe schließlich einen Russisch sprechenden Kriminalbeamten gebeten, die Flüchtlinge über das Asylverfahren in Polen zu informieren. Als die Flüchtlinge auf dessen Anraten ihre persönlichen Asylgründe aufschrieben, wußte jedoch niemand, wohin man diese Briefe schicken sollte.

Kurz nach ihrem Besuch informierte die Berliner Forschungsstelle das Warschauer Flüchtlings- und Migrationsbüro und den polnischen UNHCR über ihre Erfahrungen. Mit einer Konsequenz: Seitdem verweigern die polnischen Behörden den Zutritt zu den Abschiebearresten.

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