Globaler Feudalismus

Auf einer UN-Konferenz beschwerten sich Fernsehveranstalter aus Afrika, daß sie ihre Krisen von CNN zugewiesen bekommen  ■ Aus New York Matthias Spielkamp

Es ging einmal mehr um die Zukunft des Fernsehens, und die sahen viele der mehr als 100 Teilnehmer des ersten Welt-Fernseh-Forums der UN ziemlich schwarz. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, die in der ganzen Welt immer mehr unter politischen und finanziellen Druck geraten, nutzten die Gelegenheit, sich gegenseitig Mut zu machen. So definierte der RAI-Vorsitzende Enzo Siciliano das öffentliche Fernsehen als einen „Spiegel der Gesellschaft, der über neue politische und kulturelle Tendenzen nicht nur berichten, sondern sie auch selber hervorbringen“ müsse. Der amerikanische Spiegel freilich drohte zu erblinden, doch der Versuch des amerikanischen Kongresses, den Public Broadcasting Services (PBS) alle Subventionen zu entziehen, hat laut Programmdirektor Robert Ottenhoff zu einem bislang nie dagewesenen Vertrauensvotum in der Bevölkerung geführt.

Doch es gab auch kritische Stimmen. So beklagte der Medienwissenschaftler Michael Tracey von der University of Colorado die Konzeptlosigkeit vieler Sender: „Die meisten wiederholen immer wieder das Credo von der Bedeutung des öffentlichen Fernsehens und hoffen, daß ihm allein dadurch eine Bedeutung zukommt.“ Vielleicht war ARD-Programmdirektor Günter Struve deshalb gar nicht erst angereist.

Wichtiger nahmen die Vertreter der Fernsehanstalten in Südamerika und Afrika den Kongreß. Sie beschwerten sich über die Darstellung ihrer Länder in den westlichen Medien. Oft seien es bloße Behauptungen von CNN, daß sich sein Land in der Krise befinde, klagte beispielsweise Edward Moyos, Chef der staatlichen Fernsehanstalt Simbabwes. BBC-Auslandschef John Simpson hielt dagegen, er verlasse sich immer noch lieber auf die Berichterstattung unabhängiger kommerzieller Sender als auf die staatlicher Fernsehanstalten, die ihre Länder gegebenenfalls in einem besseren Licht darstellen würden. Postwendend wurde Moyos vom Generalsekretär des chinesischen Ministeriums für Fernsehen und Film bestätigt. Das Menschenrecht auf Ernährung und Behausung habe eine größere Bedeutung als das auf freie Meinungsäußerung. Trotz solcher Relativierungsversuche verabschiedeten die Teilnehmer eine Resolution, in der sie sich dafür aussprachen, weiterhin eine Vielzahl von Kulturen und Standpunkten im Fernsehen darzustellen, um „globalen Austausch, Kooperation und gegenseitigen Respekt“ zu fördern.

Doch gerade zum Zauberwort Globalisierung gingen die Meinungen der Forumsteilnehmer weit auseinander. Einerseits wies Hervé Bourges vom französischen Conseil Superieur de l'Audiovisuel darauf hin, daß der Anteil der ausländischen Fernsehprogramme in den meisten asiatischen Ländern weniger als zehn Prozent betrage, andererseits bemerkte der BBC- Journalist Simpson, daß kleinere Länder heute kaum mehr eine Chance hätten, sich der Macht ausländischer Medienkonzerne entgegenzustemmen: „Die vielbeschworene Kakophonie der Inhalte hat nicht die geringste Bedeutung für Länder wie Ghana oder Jamaika, die von einigen wenigen, professionell produzierten westlichen Programmen dominiert werden. Solange der Markt regiert, werden immer schlechtere Sendungen in die Länder gepumpt.“ Claude Graham von der Carribean Broadcasting Corporation in Barbados ergänzte, daß die Metapher vom globalen Dorf keineswegs die Realität repräsentiere, eher müsse von einem globalen Feudalismus gesprochen werden.

Welcher finanziellen und politischen Macht sich die kleineren Fernsehanstalten gegenübersehen, wurde ihnen von Stargast Ted Turner vor Augen geführt. Einzig für eine kurze Rede eingeflogen, ließ der Time/Warner-Vizepräsident und CNN-Chef es sich nicht nehmen, erst einmal über seinen Erzfeind Rupert Murdoch zu wettern und dann der amerikanischen Regierung vorzuwerfen, ihre Schulden gegenüber den Vereinten Nationen in Höhe von mehr als einer Milliarde Dollar nicht zu begleichen: „Das ist eine Schande, ich habe schon überlegt, die Schuldscheine zu kaufen und dann der Regierung den Gerichtsvollzieher auf den Hals zu hetzen.“