Milliarden im Vulkan verbrannt

Der Bremer Vulkan-Untersuchungsausschuß erinnert die Werftarbeiter daran, wieviel SPD-Landesregierungen für sie getan haben  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Wir haben als Unternehmer gehandelt, weil der Vulkan keinen Unternehmer mehr hatte.“ Mit diesem Bekenntnis beschreibt der frühere Bremer Finanzsenator Claus Grobecker das Dilemma der Bremer Werftpolitik in den 80ern. Der heutige Arbeitsdirektor in der Deutschen Seereederei Rostock war einer der wichtigsten Zeugen im Bremer Untersuchungsausschuß, der diese Woche gleich mehrfach tagt.

Nach dem Ende des Tanker- Booms hatten sowohl der Thyssen- Konzern wie die Krupps ihr Interesse an den Unterweser-Werften verloren. Aus ihrem Verantwortungsgefühl für damals 20.000 Werftarbeitsplätze ließ sich die sozialdemokratische Landesregierung Zug um Zug in die unternehmerische Verantwortung hineinziehen – um zu retten, was eigentlich nicht mehr zu retten war.

Der Bremer CDU-Vorsitzende Bernd Neumann, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, hat für die Werften einmal einen Status ähnlich dem des Kohlebergbaus verlangt. Aber Bundeskanzler Helmut Kohl zerstörte 1983 alle Hoffnungen, die Bremer Werften seien von nationalem Interesse. Ende 1983 schloß Krupp die AG Weser. Seitdem drängte das Land Bremen unter massiver Finanzhilfe die verbleibenden sechs kleineren Werften, sich um den Vulkan zu einem Verbund zusammenzutun.

So war es nur konsequent, daß 1987 mit dem Wirtschaftssenatsdirektor Friedrich Hennemann ein Bremer Staatsbeamter die Führung des Schiffbau-Verbundes übernahm. Die Schiffbau-Aufträge waren nur selten kostendeckend. Immer wieder, so berichteten Bremer SPD-Politiker dem Ausschuß, mußten Schiffbaubetriebe in letzter Minute mit größeren Millionen-Summen vor dem Konkurs bewahrt werden.

Gutachterlich begleitet wurden die Verfahren von der Bremer C+L-Treuarbeit, die bei der bremischen Wirtschaftsförderung gleich nebenan residiert; Anträge auf Wirtschaftsförderung müssen in Bremen nicht bei einer Landesbehörde, sondern direkt bei der Treuarbeit abgegeben werden. Die Treuarbeit war gleichzeitig der Wirtschaftsprüfer des Vulkan – eine klassische Doppelfunktion mit fatalen Folgen. 1988 zum Beispiel testierte die Treuarbeit Schiffsbeteiligungen in der Vulkan-Bilanz niedrig, um sie dann wenig später, als diese Beteiligungen vom Senat übernommen werden, mit 256 Millionen Mark zu bewerten. Grobecker berichtete, ganz bewußt habe der Senat darauf verzichtet, die Werthaltigkeit von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer ermitteln zu lassen.

Der historische Rückblick, mit dem der Bremer Ausschuß seine Ermittlungen bisher begann, hat den Blick dafür geschärft, daß der Vulkan-Zusammenbruch 1995 kein einfacher wirtschaftlicher Konkurs war. Sicherlich werden dem Management schwere Fehler nachgesagt, insbesondere, als der Konzern sich durch Zukäufe zu einem unübersichtlichen Koloß entwickelte. Entscheidend war 1995 allerdings, daß sich die Bremer Landespolitik geändert hatte: Die sozialdemokratisch beherrschte Landesregierung war durch eine große Koalition unter dem wirtschaftspolitisch unerfahrenen Henning Scherf abgelöst worden. Vergeblich suchte Hennemann, den neuen Regierungschef Scherf zu einer Fortsetzung der bisherigen Politik zu bewegen. Die Banken bekamen aus den zuständigen CDU-Ressorts Wirtschaft und Finanzen aber das Signal, daß es nicht so weiter gehen werde wie bisher. Weil sie ihre Engagements als ungesichert betrachteten, stoppten sie die Kreditlinien. Innerhalb von acht Wochen ließen sich die Banken das gesamte Vulkan-Vermögen verpfänden.

Als die Banken die Notbremse zogen, brach in der Landesregierung Panik aus. Das Land war nämlich die einzige sichere Bank, auf die der Konzern seine Expansion stützte. Geschäftsleiter Hennemann hatte in den Vorjahren auf eigene Faust aus den Resten eines maroden Schiffbaus einen „maritimen Technologiekonzern“ entwickeln wollen. Aktionäre lieferten dafür mehr als 800 Millionen Mark frisches Aktienkapital ab, ohne je eine Dividende zu bekommen. Und die Treuhand steuerte 2,5 Milliarden Mitgift für die Übernahme der Ostwerften bei.

Geradezu hilflos und unvorbereitet rief Bremens Regierungschef im Herbst 1995 nach Bonner Hilfe. Als keine Antwort kam, lud er die Ministerpräsidenten der Küstenländer nach Bremerhaven ein mit der Begründung, die Werften seien nur im Ost-West-Verbund überlebensfähig. Die Konferenz endete in Peinlichkeit. Die nächste Auffanglinie: Wenigstens ein Bremer Verbund müsse um die Elektronik-Perle des Konzerns, die STN-Atlas, erhalten werden – auch eine Idee mit kurzer Verfallszeit. Konkursverwalter Wellensiek hat kürzlich die STN-Atlas mit ihren 4.500 hochqualifizierten Wissenschaftlern und Ingenieuren meistbietend an die Rüstungsschmiede Rheinmetall verkauft. Damit ist politisch der Schlußstrich unter den Konzern gezogen: Was jetzt noch bleibt, ist Abwicklung.