Theater ohne Dach

■ Die Gruppe Obdach-Fertig-Los zeigt ihr Stück „Pension Sonnenschein“

Applaus. Schlußvorhang. Scheinwerfer aus. Die Schauspieler packen ihre Sachen zusammen und suchen sich einen Schlafplatz unter einer Brücke oder in einem Heim für Wohnungslose. So wird es am Sonntagabend im Thalia in der Kunsthalle sein, wenn Hamburgs erstes Obdachlosen-Theater Obdach-Fertig-Los sein Stück Pension Sonnenschein zeigt – Theater authentisch, mit einer Handlung, die das Leben ohne Dach schrieb.

„Kostüme sind fast nicht nötig“, sagt Regisseur Kimmo Arland. Denn„die meisten Darsteller spielen sich selbst“. Bitter wirkt da die Frage eines Zuschauers, wie der Regisseur es geschafft habe, einen Darsteller so gekonnt verzagt aussehen zu lassen. Trotzdem, auf der Jammerschiene will die Gruppe nicht fahren. „Betroffenheit ist nicht unsere Intention“, betont Arland. Dazu sei Pension Sonnenschein zu witzig.

Wo die Erfahrungen Vieler zu einem Stück verschmelzen, bleiben Klischees natürlich nicht aus: Hauptfigur Paule verliert erst Job und Familie, beginnt dann zu trinken und landet schließlich in einem Obdachlosenheim, dessen Leiter zu allem Überfluß Gift und Galle versprüht.

Dennoch: Die Probleme des Lebens auf der Straße treffen die Gruppe auf der Bühne genauso wie bei den Proben. Die Besetzung wechselte in den vergangenen zwei Jahren ständig, weil Darsteller absprangen oder zu betrunken waren.

Gefühle habe anfangs niemand preisgeben wollen, berichtet Arland: „Das sind in Prinzip Einzelkämpfer, die plötzlich zusammenarbeiten müssen.“ Auf die Dauer hilft die Theatergruppe ihren 15 Mitgliedern, sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen und ein bißchen von dem zu bekommen, was beim „Leben auf Platte“ fehlt: Anerkennung, Selbstbewußtsein und Freundschaften. Mittlerweile ist aus der zusammengewürfelten Gruppe ein Team geworden. Achtmal haben die Schauspieler ihr Stück schon in Hamburg und Schleswig-Holstein aufgeführt. Nachdem sie Pension Sonnenschein im Dezember in Kiel und Lübeck und im Februar in Harburg gezeigt haben, wollen die Schauspieler ein neues Stück erarbeiten. Welches, steht noch nicht fest. Wichtig ist nur, so Arland, daß „Obdachlose anders wahrgenommen werden und zeigen, daß sie etwas können.“

Judith Weber So, 19 Uhr, Thalia in der Kunsthalle, für Obdachlose freier Eintritt frei