■ Zur Einkehr
: Loretta am Hafen

Sedanplatz, Vegesack. Wer an einem diesigen Winter-nachmittag aus der City Bahn steigt, um sich in Bremen-Nord mal ein bißchen umzutun, wünscht sich, die Rückfahrkarte schon in der Tasche zu haben. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten gibt's da noch die Alte Hafenstraße, wo sich neben dem KITO auch „Loretta am Hafen“ tummelt. Wer „Loretta“ betritt, glaubt sich in einem Übungsraum für angehende Dekorateure. Von der Decke hängen einem Wimpel, leere Obstkisten und die unvermeidlichen Halogen-Strahler fast ins Gesicht, an den Wänden hängen auf halber Höhe ausladende Etageren, darauf Früchte und Gemüse aller Art. Die Speisekarte heißt hier „Loretta-Zeitung“ und ist ein Beispiel dafür, was Werbeleute in den 80er Jahren mal für corporate identity hielten. Um die (ansprechend beschriebene und präsentierte) Speisenauswahl ranken sich Lobeshymnen aller Art über Vegesack („die Schweiz Bremens“) und natürlich „Loretta“.

Die Liebe zum Detail ist hier zweifellos vorhanden, leider konzentriert sie sich nicht eindeutig aufs Essen. Beigabe zu den von uns georderten Vorspeisen war auf schönem Porzellan serviertes Fladenbrot, arrangiert mit zwei Salz- und Pefferstreuern in Entenform und abgerundet mit ein wenig Kräuterbutter, die wiederum im kleinen Töpfchen daherkam. Nett sah das aus, bloß: Geschnetzeltes, gummiweiches Fladenbrot schmeckt dadurch auch nicht aufregender. Die Scheiben vom Weidelamm mit Tomaten und Mozzarella mit kleinem Salat (15,50 Mark) entpuppten sich als ehrliches, wenn auch wenig kreatives Vorgericht. Untadelig das Lamm, in gewohnter Manier zusammengestellt Tomaten und Mozzarella, jene Kombination, die mittlerweile die deutsche Bistroküche so epidemisch überrollt hat, daß der Eindruck entsteht, Tomatenmozzarella sei so teutonisch wie Sauerbraten.

Die Putenbruststreifen mit ... was war das nochmal? Hat sich wegen Belanglosigkeit aus der Erinnerung geschlichen. Da die Pute, mittlerweile in jeder Kantine serviert, ohnehin zur Fadheit neigt, braucht sie eine gewürzmäßige inspirierte Umgebung, um zu munden. Andernfalls schlägt sie mit Geschmacklosigkeit zurück. „Lieblos“, fiel uns dazu ein. Noch ein Wort zum Service: Der neue Trend hier heißt Unverbindlichkeit, und noch ist nicht klar, welche Nebenwirkungen es für den Gast hat, wenn man – noch an der Brieftasche nestelnd – schon ein verabschiedendes und erledigendes „Viel Spaß!“ hinterhergerufen bekommt. So hat's sich der Chef wohl ausgedacht.

Alexander Musik