Der Stein bestimmt das Bewußtsein

■ Diskussion im Stadtforum über das „Planwerk Innenstadt“

„Das Ende der Stadt als staatliche Veranstaltung und die Wiedergeburt der Bürgerstadt“ – diese Forderung des Kulturwissenschaftlers Karl Schlögel stand beinahe beschwörend über der gestrigen Vorstellung der Masterplanung für die Berliner Mitte im Stadtforum. Mit einem Seitenblick auf die Belebung der Stadtzentren in Osteuropa, wohl aber auch mit etwas Neid angesichts kaufmännischer Bürgerschaft in Städten wie Hamburg, versuchten Schlögel sowie Staatssekretär Hans Stimmann, der durch die „DDR-Planung zerstörten Stadtmitte zu neuer Identität zu verhelfen“.

Das drohte vor rund 1.000 Zuhörern im Staatsratsgebäude zeitweilig zur Groteske abzugleiten, etwa, als der für die Westplanung mitverantwortliche Architekturprofessor Fritz Neumeyer auf die Auflösung der Stadt in Milieus, das Verschwinden des öffentlichen Raumes oder der Res publica hinwies und damit suggerierte, diese – gesellschaftlichen – Mangelerscheinungen ließen sich durch Bebauung therapieren.

Bestimmt nun der Stein das Bewußtsein? Die teilweise aufgebrachten Diskutanten jedenfalls holten die Stadtträumer auf dem Podium wieder auf den Boden der Realität zurück. Der Ostberliner Architekturkritiker Bruno Flierl sprach von einem „Vollstopfen der Stadt mit dilettantischen postmodernen Gebäudekompositionen“. Die Baustadträtin von Mitte, Karin Baumert, fragte, wo sie denn herkommen solle, die sehnsüchtig erhoffte Bürgerstadt. Baumerts Vermutung: „Eine gewendete 68er Generation will sich nun gerne selbst in dieser Rolle sehen.“

Daß Berlin auch ohne Masterplanung eine „aufregende Stadt“ ist und Lebendigkeit weniger eine Frage der Bebauung als vielmehr ein sozialer Aneignungsprozeß ist, darauf mußte ausgerechnet ein Künstler hinweisen, der erst vor ein paar Tagen von der Rheinmetropole Düsseldorf nach Berlin gezogen war: „In Düsseldorf ist alles verplant und nichts ist dort mehr lebendig.“

Die Existenz von unverplanten Brachen, von Frei- und Zwischenräumen, auch das war einmal ein Traum der 68er Generation, den kaum einer besser als Wim Wenders mit seinem Kultfilm „Der Himmel über Berlin“ beschrieben hat. Doch dieser Traum wurde geträumt, als die 68er noch Bewohner ihrer Stadt waren und keine Stadtbürger sein wollten. Uwe Rada