Hans Modrow in der Meineidfalle

■ Beriet er sich Herbst 89? Wenn ja, wann, wie, wo, mit wem?

Dresden (taz) — Zum dritten Mal sitzt der PDS-Ehrenvorsitzende und ehemalige Dresdner SED-Bezirkssekretär Hans Modrow vor einem Dresdner Gericht. Wiederholung wird zur Farce. Hatte der erste Prozeß noch interessante Aufschlüsse über das kleine und große Einmaleins der Wahlfälschungen in der DDR gebracht, bot die Berufungsverhandlung in dieser Sache nur noch Aufguß. Diesmal nun der Aufguß vom Aufguß des Amtsmißbrauchs. Modrow wird zur spannenden Frage vernommen, warum er am 22.April 1992 vor einem Untersuchungsausschuß des sächsischen Landtages falsch ausgesagt habe. Damals wollten Abgeordnete wissen, was er in der Nacht vom 4. zum 5. Oktober 1989 im Sitz der SED- Bezirksleitung getrieben habe und wann die Bezirkseinsatzleitung, das SED-Krisenorgan für Kriegszeiten, zu seiner letzten Beratung angetreten war.

Staatsanwalt Helmut Renz wirft dem Angeklagten Meineid vor. Doch seine Anklage ist standfest wie ein Kartenhaus bei geöffnetem Fenster. Modrow hatte damals auf beide Fragen geantwortet, er könne sich nicht mehr genau erinnern. Die Anklage zitiert: Ob es im dritten Quartal noch eine solche Sitzung gegeben habe, „kann ich jetzt nicht hundertprozentig sagen“. Es könnte aber Anfang September gewesen sein. Auf Nachfrage erklärte Modrow: Eine Beratung „im engeren Sinne“ habe er „in der Phase der Oktobertage dann nicht mehr durchgeführt“. Aktenkundig hat die Bezirkseinsatzleitung aber noch am 4. November zusammengesessen. Doch diese Akten sind dem Zeugen vom Ausschuß weder vorgelegt noch vorgehalten worden. Weiter zitiert die Anklage die Frage, ob Modrow „sich vorstellen könne oder wisse“, ob die Bezirkseinsatzleitung in der Nacht vom 4. zum 5. Oktober getagt habe. Der Zeuge verneinte dies. In den Akten steht aber, Modrow habe in jener Nacht mit mehreren Mitgliedern der Bezirkseinsatzleitung beraten. An diesem Tag waren die Züge mit Botschaftsflüchtlingen über den Dresdner Hauptbahnhof gefahren, die Polizei hatte ausreisewillige Dresdner und Demonstranten zusammengeknüppelt.

Modrow will nach einer Erklärung zu Prozeßbeginn keine weiteren Angaben machen. Juristisch von Belang dürfte allein die Frage sein, was unter einer „Beratung im engeren Sinn“ zu verstehen ist. Modrow meint damit eine Zusammenkunft nach der von der SED- Zentrale festgelegten Prozedur. Er habe im Herbst 1989, erklärte Modrow gestern, „nicht im entferntesten daran gedacht, daß ein Oberlandesgericht einmal die Kriterien für die Arbeit der Bezirkseinsatzleitungen neu festlegen könnte“. Detlef Krell