Im Mittagsschlaf der Apokalypse

■ Heinz und David Bennent spielten Samuel Becketts „Endspiel“

Routine als Schicksalsbejahung und Gewohnheit als lebensverlängernde Maßnahme, Gehorsam als Anker im Fließen der Zeit, Despotismus als höchste Form der Gelassenheit – Samuel Beckett verwendete in Endspiel die Tricks der Religion für ein ganz unreligiöses Stück. Die Dialoge zwischen Hamm und Clov lassen das Zwiegespräch zwischen der Kirche und dem Gläubigen, zwischen Herrschaft und Demut erklingen, nur sind die Gespräche zwischen dem Blinden und seinem Diener in ihrer distanzlosen Nacktheit geweiht mit Ehrlichkeit.

Als Spiel im leeren Nichts während des Mittagsschlafes der Apokalypse – die Welt ist entleert, aber noch nicht völlig entvölkert – sind Trost und Hilfe für Hamm, seine Eltern Nagg und Nell (rührend gespielt von dem behinderten Schauspieler Jean-Claude Grenier und der zwergwüchsigen Mirelle Mossé) und den Helfer Clov ein buddhistisches Mysterienspiel um den richtigen Zeitpunkt zu gehen – was sterben und verlassen heißen kann.

Heinz Bennent ist in Joel Jouanneaus Endspiel-Version, die am Wochenende im Schauspielhaus als Gastspiel zu sehen war, die mit einem Granulathaufen verschweißte Ruhe, der Erwartungslosigkeit und Hoffnung eins ist. Sein Sohn David ist der Diener Clov, dem die Sehnsucht nach etwas anderem immer noch Löcher in die aussichtslose Membran brennt, die sie umschließt. Und ihr gemeinsames Spiel zeigt keinen Haß, keine wirkliche Mordlust von zu lange gemeinsam Eingesperrten. Vater und Sohn zelebrieren in ihren abgeschliffenen Ritualen eine coole Zuneigung, die die Vergangenheit zur selben Nichtigkeit erklärt wie die Zukunft. Im Gerinnen des Lebens auf die Gegenwart schafft Beckett die Sprache einer skurrilen Herzlichkeit, die sicherlich nicht jeder so präzise spielen kann wie Vater und Sohn Bennent.

Dem gealterten Despoten und seinem nervös-melancholischen Kumpan erscheinen die alltäglichen Schrecken weder als Zielscheibe für Zynismus noch als Fahrplan zu Angst und Entsetzen. Die Tatsache einer trostlosen Welt ist in diesem Spiel das Fundament, auf dem Master und Servant überhaupt erst die Qualität ihrer Verständigung erfahren können – und den richtigen Moment,zu gehen .

Till Briegleb

Ab Anfang Januar noch einmal in den Hamburger Kammerspielen