Der neue Lehrberuf: Domina

■ Sollte Prostitution ein Beruf wie jeder andere sein? Die Domina Ellen aus der Herbertstraße meint: Aber ja!

taz: Welche Berufsbezeichnung ist Ihnen am liebsten? Hure, Nutte, Sexarbeiterin?

Ellen: Prostituierte oder Hure, das ist okay. Allergisch reagier ich bei Nutte. Das ist eine Beleidigung. Hure steht für Sex gegen Entgelt, eine Nutte macht's umsonst.

Macht Ihnen Ihr Beruf Spaß?

Klar, sonst würd ich ihn ja nicht schon 22 Jahre lang ausüben...

...als Domina.

Genau. Bei Normal-Sex würd ich heute sicherlich nicht mehr im Milieu arbeiten. Das wär mir zu anstrengend.

Denken Sie manchmal ans Alter?

Na ja, eigentlich wollt ich ja schon mit 40 aufhören. Aber die Arbeit gefällt mir einfach. Ich hab ein paar Stammgäste. Mit der Laufkundschaft hab ich nur noch wenig zu tun.

Eines Tages werden Sie dennoch ganz aufhören. Wovon wollen Sie dann leben?

Wie ich in zehn Jahren lebe, darüber mach ich mir heute doch keine Gedanken. So weit plane ich nicht. Für alle Fälle hab ich mir ein wenig Geld zurückgelegt, das ist so meine private Altersvorsorge.

Was würden Sie davon halten, wenn Huren künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen könnten?

Ich habe zehn Jahre lang als Friseuse gearbeitet. Hätte ich anschließend die Möglichkeit gehabt, weiter in die Rente und die Krankenkasse einzuzahlen, wär ich natürlich dringeblieben. Aber heute ist das für mich völlig uninteressant. Was hätt ich noch davon? Viele Frauen, die schon längere Zeit in dem Gewerbe arbeiten, denken da wie ich. Trotzdem, für die junge Generation wär eine Rentenversicherung sicherlich von Vorteil.

Was machen denn die Prostituierten, die heute 60 oder 65 sind?

Keine Ahnung. Ich denke, zehn, höchstens zwanzig Prozent aller Prostituierten haben für sich vorgesorgt. Die anderen denken einfach nicht daran.

Und im Alter bleibt ihnen dann Armut und Sozialhilfe.

Oft ist das leider so. Deshalb ist es gut, daß Politikerinnen endlich ernsthaft darüber nachdenken, Prostitution als Beruf anzuerkennen.

Der Beruf Hure könnte noch mehr bringen: gesetzliche Krankenversicherung, Mutterschutz, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall...

Alles schön und gut. Aber skeptisch bin ich da immer noch. Wie soll das funktionieren? Arbeiten wir dann künftig auf Lohnsteuerkarte?

Warum nicht? Schon heute müssen Sie ja Steuern zahlen. Und wenn Sie Ihren Verdienst nicht nachweisen, schätzt das Finanzamt einfach Ihre Einnahmen.

Dabei passieren dann richtige Schweinereien. Die Summen, die bei solchen Schätzungen zu Grunde gelegt werden, sind oft völlig aus der Luft gegriffen. Selbst manche Zeitungen behaupten ja, wir würden am Tag ein- bis zweitausend Mark verdienen.

Und wie hoch sind die Einnahmen tatsächlich?

Das ist ganz unterschiedlich. Manche Frau hat nur einen Gast am Tag und deckt damit gerade mal ihre Kosten. Realistisch sind vielleicht so 300 Mark am Tag...

Auch da hätte der legale Beruf Hure doch was – per Tarifvertrag könnten Sie dafür sorgen, daß feste Sätze pro Sexangebot festgeschrieben werden...

...und vorher gründen wir eine Gewerkschaft: Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. Na, bis es so weit ist... Ich steh ja dazu, mein Beruf ist Hure. Aber viele Frauen werden nie öffentlich zugeben wollen, daß sie Prostituierte sind.

Wenn Hure eines Tages ein Beruf wie jeder andere ist, ändert sich vielleicht auch die öffentliche Moral Stück für Stück...

In ferner Zukunft vielleicht. Manchmal denk ich ja, dann müßte man auch einen Lehrberuf daraus machen. Gerade für eine Domina ist das nicht verkehrt. Die muß wissen, wie sie mit Nadeln arbeiten kann, mit Klistier und Katheter. Die muß die Schlagtechniken kennen.

Die Bundesregierung wird begeistert sein. Immerhin fehlen Lehrstellen an allen Ecken und Enden.

Genau, so utopisch ist das also gar nicht...

Interview: Karin Flothmann