Der Wind weht symbolisch

Der Bundestag des Deutschen Sportbundes beschließt eine Frauenquote für seine Ausschüsse – und bleibt doch ein Klub der alten Männer  ■ Aus Leipzig Peter Unfried

Erstaunliches ist beim Bundestag des Deutschen Sportbundes in Leipzig passiert: Nach 46 Jahren hat zum ersten Mal eine Frau das Hauptreferat gehalten. Andererseits: Das Thema „Mädchen und Frauen im Sport: Mit uns in die Zukunft“ ließ schwerlich etwas anderes zu. Am Samstag mittag wurde dann auch noch eine Frauenquote für die DSB-Gremien beschlossen. Ab 1998 werden entsprechend dem Anteil der Frauen im Verband (9 von 25,9 Millionen) jeweils zwei Frauen (statt bisher eine Frau) in den fünf Bundesausschüssen sitzen. Daneben gibt es noch andere kleine Zugeständnisse.

Daraus zu folgern, der Bundestag habe sich intensiv mit der Problematik auseinandergesetzt, wäre kühn. Das Ganze, sagt DLV-Präsident Helmut Digel, habe „symbolischen Charakter“. Die Delegierten sind in der Mehrzahl Männer im reiferen Alter. Sie haben offensichtlich andere Dinge im Kopf – Frauen gehören nicht dazu.

Während die Referentin Sylvia Schenk den Funktionären „die Hand reichen“ wollte, um „den Sport gemeinsam ins Jahr 2000“ zu führen, wollten die, wenn überhaupt, lieber die Diskussion um die Quote auf dem Stand von vorgestern führen.

„Die Quote ist ein Instrument“, sagte Sylvia Schenk, „ich bin auch nicht uneingeschränkt dafür.“ Schenk (42) ist Vorsitzende des Bundesausschusses Recht und eine der wenigen Frauen, die sich im DSB „durchgeboxt“ haben. Manche halten sie für eine „Karrierefrau“. Das ist natürlich nicht positiv gemeint. Einzelne könnten es immer schaffen, sagt sie und will Strukturen. „Es hat mich unheimliche Kraft gekostet, dahin zu kommen, wo ich heute bin“, sagt sie. Die ehemalige Leichtathletin ist SPD- Sportdezernentin in Frankfurt/ Main und bringt ihren politischen Aufstieg in Kausalzusammenhang mit der Quote ihrer Partei: „Ohne Quote wäre ich nie Stadträtin geworden“, sagt sie, „da haben so viele Männer gedrängelt.“

Nun findet das Drängeln in die Ehrenämter des Sports auf gemäßigtem Niveau statt. Die häufig gehörte Sorge der Funktionäre ist, Frauen aufzutreiben, um Quoten erfüllen zu können. Daß selbst IOC-Präsident Samaranch wisse, „woher der Wind weht“ (Schenk), und zu der von Manfred von Richthofen angestrebten Politikfähigkeit des Sports Frauen gehörten, überzeugte den DSB-Präsidenten, doch nicht alle Delegierten. Die einen forderten einen Männerausschuß, andere altgediente Recken übten sich in Reitersmann-Chauvinismus, dritte beklagten das Zerbrechen der kleinsten sozialen Einheit Familie (wg. in Ehrenämter drängender Frauen, versteht sich).

Auch war die Unterstützung der Frauen nicht überzeugend. Die DDR-Olympiasiegerin Martina Hellmann mochte das Thema gar nicht erkennen. Erika Dienstl, DSB-Vizepräsidentin und ranghöchste Frau im deutschen Sport, war wegen anderer Verpflichtungen erst gar nicht nach Leipzig gekommen. Es ist bekannt, daß die Präsidentin des Fechterbundes nichts von Quoten hält. Andere redeten ähnlich. „Selbst wenn man durch die Quote reinkommt“, sagt aber Schenk, täte das der Qualifikation keinen Abbruch. Es geht auch um repräsentativen Anteil an der Macht. Um die festen Strukturen der patriarchalischen Welt etwas anzuknacksen, hatten die Frauen auch den „politisch brisantesten“ (Richthofen) Antrag gestellt; jenen die Amtszeiten auf zwei Wahlperioden zu beschränken. DSB-Präsident von Richthofen („da setzen wir ein Zeichen“) stimmte dafür, doch es half nichts.

Sylvia Schenk mochte das Ganze so negativ nicht deuten. 1976 war sie zum ersten Mal auf einem Bundestag, damals, sagt sie, „paßte ich gar nicht rein“. Dieses Mal waren 90 Frauen im Saal. Und sie durfte über Frauen reden. „Ich hätte“, sagt Schenk, „auch zu anderen Themen etwas draufgehabt.“