„Es gibt vier oder fünf Kriterien...“

■ Klaus Müntz, Molekularbiologe am Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben, überträgt ein allergieauslösendes Paranuß-Gen auf Bohnen – in den USA sind diese Versuche aufgegeben worden

taz: Herr Professor Müntz, in Gatersleben arbeiten Sie an der gentechnischen Herstellung von Bohnen mit verbesserter Eiweißzusammensetzung. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Klaus Müntz: Wir haben in die Narbonbohne ein Gen aus der Paranuß übertragen, um den Gehalt an der essentiellen Aminosäure Methionin zu erhöhen. In Regionen Indiens oder Ägyptens, wo Menschen sich vorwiegend von Hülsenfrüchten ernähren, kommt es durch Methioninmangel zu einer Eiweißfehlernährung, die bei Kindern zu bleibenden Schäden führen kann. Vor allem als Viehfutter werden solche Samen nur ungenügend ausgenutzt und ein großer Teil des Stickstoffs wieder ausgeschieden. Darunter leidet die Fütterungseffizienz, was zur Umweltbelastung beiträgt.

Ähnliche Experimente wurden in den USA von der Züchtungsfirma Pioneer Hi-Bred an Sojabohnen durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, daß das eingesetzte Paranuß-Protein heftige allergische Reaktionen auslösen kann. Hi-Bred stellte daraufhin die Versuche ein. Warum arbeiten Sie in Gatersleben weiterhin mit diesem Ansatz?

Tests in den USA haben tatsächlich erwiesen, daß das betreffende Protein allergene Eigenschaften besitzt. Das ist durch einen In-vitro- Test gezeigt worden, bedeutet also nicht in jedem Falle, daß es wirklich als Allergen wirken muß. Aber aus Vorsichtsgründen ist es in den USA aus den Versuchsreihen zur Entwicklung von ernährungsphysiologisch verbesserten Körnerleguminosen herausgenommen worden. Dort verwendet man inzwischen nichtallergene Proteine, zum Beispiel aus der Sonnenblume oder aus der Sojabohne selbst, anstelle des Paranuß-Proteins. Die Arbeiten wurden also nicht eingestellt, sondern man hat neue Lösungswege beschritten. Bei uns wird das Gen aus der Paranuß im Rahmen von Modellversuchen eingesetzt. Die Ergebnisse könnten aber auf ökonomisch interessante Leguminosen – etwa auf die nahe verwandte Ackerbohne – übertragen werden. Narbonbohnen werden jedoch nicht landwirtschaftlich angebaut. Aus diesem Grunde spielt das Allergieproblem zunächst für praktische Zwecke keine Rolle.

Die Narbonbohne selbst ist also nicht wirtschaftlich nutzbar?

Möglicherweise schon, als Viehfutter. In Australien läuft ein großes Programm für die Einführung mediterraner Körnerleguminosen als Viehfutter. Die Australier sind sehr interessiert an unserer verbesserten Linie. Sie hat noch einen zusätzlichen Vorteil: Narbonbohnen enthalten einen Stoff – ein Dipeptid –, der sie mehr oder weniger ungenießbar macht. Daher werden sie nicht für die menschliche Ernährung genutzt. Auch Schweine fressen sie nicht gerne. Bei unserer Linie scheint der Gehalt an diesem Dipeptid verringert zu sein. Das Fremdprotein aus der Paranuß verursacht nach bisherigem Wissen keine Probleme bei der Viehfütterung.

Sie halten es aber darüber hinaus für möglich und erstrebenswert, Hülsenfrüchte, die zum menschlichen Verzehr bestimmt sind, mit der gleichen Methode aufzubessern?

Aber selbstverständlich. In Regionen der Welt, wo es Methioninmangel in der Ernährung gibt, könnte man damit Probleme lösen helfen. Man muß dann Gene für Proteine verwenden, die keine allergenen Wirkungen haben. Das läßt sich in gewissem Grade austesten, wie das in der Lebensmitteltechnologie mit allen möglichen Lebensmitteln gemacht wird. Das ist keine Besonderheit der Gentechnik.

Wie wollen Sie aber vorab testen, ob ein Eiweiß, das noch nicht als Allergen bekannt ist, Allergien auslösen kann?

Das ist ein generelles Problem bei allen neu in die menschliche Ernährung eingeführten Stoffen. Soweit sie Proteine enthalten, kann ein Allergen dabeisein. Das gilt auch, wenn ein Gen übertragen wird, das üblicherweise in der Pflanze nicht vorkommt. Man muß also mit verfügbaren Näherungsverfahren auf Allergenität testen.

Das Problem ist aber doch gerade, daß es solche Tests nicht gibt.

Das stimmt, es gibt generell bei Allergenen, ganz egal ob aus der Gentechnik oder aus der üblichen Nahrungsmittelproduktion, keine durchgängig sichere Testmöglichkeit. Es gibt vier oder fünf Kriterien, an denen man sich orientieren kann. Wenn diese Tests positiv sind, wird man vermeiden, das Protein zu benutzen. Das ist aber ganz genau das gleiche wie bei üblichen Nahrungsmitteln.

Wer eine Allergie gegen Paranüsse oder Sonnenblumenkerne hat, kann diese Lebensmittel leicht vermeiden. Wer aber jetzt diese Allergene in allen möglichen Nahrungsmitteln vermuten muß, weiß ja nicht mehr, was er überhaupt noch essen darf.

Nein, so ist es ja nicht. Soweit Sameneiweiße für Transformationsversuche benutzt werden, kann man testen, weil Sameneiweißallergene gut bekannt sind. Und wenn sich zeigt, daß zum Beispiel zur natürlichen Allergenität der Sojabohne eine neue hinzugekommen ist, dann kann man damit nicht weiterarbeiten.

Wäre nicht zumindest eine umfassende Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel zu fordern?

Ich bitte noch mal darum, zu beachten: Allergien sind nichts spezifisch Gentechnisches. In jedem Lebensmittel mit einer Kombination aus herkömmlichen Stoffen kann ein Allergen auftauchen. Es gibt etablierte Tests, mit denen man das prüfen kann, obwohl es keine wasserdichten Verfahren gibt. Das ist nichts, was man der Gentechnik anlasten kann. Für Kennzeichnung bin ich durchaus in diesem Falle.

Der Gentechnik kann man anlasten, daß die Verbreitung von Allergenen sehr viel größer wird als bisher und daß es bei fehlender Kennzeichnung unmöglich wird, sie zu vermeiden.

Aber auf der anderen Seite ist es so, daß niemand gewußt hat, was in der Paranuß überhaupt Allergien auslöst. Erst durch die gentechnischen Experimente ist überhaupt sichtbar geworden, welches das Hauptallergen in der Paranuß ist. Die Gentechnik bietet außerdem Möglichkeiten, bekannte Allergene zu eliminieren.

Ein erhöhter Methioningehalt in Hülsenfrüchten könnte Ihrer Auffassung nach die Fehlernährung in manchen Ländern verringern. Wer nur Bohnen ißt, nimmt von bestimmten lebenswichtigen Substanzen zu wenig zu sich. Geht solche Forschung nicht an den Ursachen des Hungers vorbei, die gerade auf dem Welternährungsgipfel diskutiert wurden?

Das Problem ist, daß zum Beispiel in Indien ein Drittel der Bevölkerung aus religiösen Gründen an vegetarische Ernährung gebunden ist...

...vegetarisch ist ja nicht gleichbedeutend mit Fehlernährung...

...und in Ägypten ist es ein Problem der Armut. Ganz gleich, ob Sie sich nur von Mais, Reis oder Bohnen ernähren, alle diese Samen haben ernährungsphysiologische Mängel. Das läßt sich teilweise durch Mischnahrung ausgleichen, aber nicht komplett, weil diese Nahrung eben nicht vollständig dem menschlichen Bedarf angepaßt ist.

Wie ist denn die Nachfrage nach Ihren gentechnischen Lösungen? Gibt es Kooperationen mit Ländern der Dritten Welt?

Es gibt eine Zusammenarbeit mit Ägypten, wo die Ackerbohne im Mittelpunkt des Interesses steht. Wir kooperieren dort mit einem landwirtschaftlich-biotechnologischen Institut, das durch das United Nations Development Programme (UNDP) aufgebaut wurde. Außerdem arbeiten wir auch mit indischen Instituten zusammen. Die Gentechnik ist ein Mittel neben anderen, um diese Probleme zu lösen. Man kann nicht von vornherein sagen, ob sie unverzichtbar ist oder verzichtbar. Das muß fallweise experimentell erprobt werden. Wir können nicht erzwingen, daß in einem absehbar kurzen Zeitraum die politischen Verhältnisse geändert werden. Also gibt es nur die Möglichkeit, alle Wege zu versuchen, die zu einer Verbesserung der Situation führen. Die Wissenschaftler müssen ihre Wege gehen, die Politiker sind verpflichtet, andere zu beschreiten. Interview: Wiebke Rögener