Das Portrait
: Prolo-Schick für Frauen mit Kurven

■ Gianni Versace

Sein Hund heißt Karl Marx, und das ist gar nicht so verquer, wie es zuerst scheint: Ein Abendkleid von Gianni Versace kostet so um die 60.000 Mark. Aber der Schick ist durch und durch proletarisch. Versace entwarf in seiner knapp dreißigjährigen Karriere die kürzesten Minis, die tiefsten Dekolletés und die engsten Röcke, die die Modewelt je gesehen hat. Dazu reichte er lange Stiefel bis übers Knie, üppig mit Gold verzierte schwarze Lederjacken oder mit bunten Glasperlen bestickte Jeansjacken. Nichts für androgyne Kindfrauen: „Meine Frauen haben Kurven, sie ähneln einer Gitarre und nicht einem Bleistift. Ich will Frauen mit Busen und Hintern“, erklärte Versace vor einigen Jahren.

Versace wurde heute vor fünfzig Jahren in Reggio di Calabria geboren. 1964 begann er bei seiner Mutter, einer Schneiderin, zu arbeiten. Ab 1972 entwarf er als freiberuflicher Designer für italienische Modefirmen. Drei Jahre später stellte er seine erste Prêt-à-porter-Kollektion für Damen unter seinem eigenen Namen vor. Zusammen mit Giorgio Armani und Gianfranco Ferré machte Versace Anfang der 80er Jahre Mailand zur Modehauptstadt Italiens. Damit nicht genug, entwarf er 1982 erstmals die Kostüme für eine Theaterproduktion: Richard Strauß' Ballett „Die Josephslegende“ am Teatro alla Scala. Seitdem hat er regelmäßig Bühnenkostüme entworfen, unter anderem für den Regisseur Robert Wilson und den Choreographen Maurice Béjart.

Versace dekoriert seine Kleider gern mit barocker Üppigkeit, in der Verarbeitung jedoch ist er absolut modern: 1982 stellte er erstmals das Metallgewebe vor, das er nach einer zweijährigen Entwicklungsphase mit deutschen Ingenieuren erfunden hatte. Daraus wurden Roben, die aus einem Geflecht kleiner geprägter Nickelscheiben bestanden, die mit Laserstrahl zusammengefügt worden waren.

Das beste Model für seine Kleider ist Versaces Schwester Donatella – eine muskulöse Blondine mit der Energie eines Bulldozers. Sie ist mit dem Amerikaner Paul Beck verheiratet, der sich für Versace um den amerikanischen Markt kümmert. Überhaupt wird die ganze Firma von der Familie verwaltet: Versaces Bruder Santo ist der Präsident der Versace- Holding, die 1991 einen Jahresumsatz von 1,06 Milliarden Mark vorweisen konnte. Anja Seeliger