„Welch schöne Moschee!“

Grüne Zwiebeltürme, ein farbenprächtiges Kirchenschiff: Die orthodoxe Kirche, ein Stück Rußland mitten in Hamburg  ■ Von Andrej Sokolow

Es ist ein Stück Rußland mitten in Hamburg: eine kleine weiße Kirche mit den grünen Zwiebeltürmen. Sie steht in der Hagenbeckstraße, und je nachdem, von wo der Blick des Betrachters auf sie fällt, liegt sie idyllisch im Grünen oder eben – mit passender Hochhaussilhouette – mittenmang in der Großstadt. Jedes Wochenende versammeln sich hier knapp hundert Menschen zu einem orthodoxen Gottesdienst. Zu Weihnachten kommen doppelt so viele in das einfache, aber farbenprächtig bemalte Kirchenschiff.

Die 1965 eingeweihte Kirche trägt den Namen des heiligen Prokop, eines deutschen Kaufmannssohnes aus Lübeck, der Überlieferungen zufolge zu Anfang des 14. Jahrhunderts nach Rußland gezogen ist, um dort nach geistiger Erfüllung zu suchen. Die Legende sagt, er habe in Rußland sein gesamtes Vermögen an Notleidende verteilt und sei dann in ein Kloster gegangen. In Anbetracht dieser frommen Lebensweise, so weiß der orthodoxe Priester Josef Wownjuk, ist Prokop später heiliggesprochen worden.

Wownjuk ist in einer ukrainischen Familie in Polen geboren worden und war noch nie in Rußland. Dennoch spricht er die russiche Sprache, nicht ganz ohne Akzent. Und der russischen Kultur fühlt sich der 36jährige tief verbunden. Für die aus Rußland stammenden Deutschen, so weiß Wownjuk, „ist die Kirche des heiligen Prokop wie ein Teil der Heimat“. Viele Russen wollten allerdings alles, was mit Heimat zu tun hat, vergessen und nur noch Deutsche sein. „Doch das wird ihnen nie gelingen“, meint der Priester. In der Gemeinde gebe es auch Deutsche, die zum orthodoxen Glauben übergetreten seien.

Das größte Problem für den Priester, der außer der Hamburger noch zwei weitere orthodoxe Gemeinden in Norddeutschland betreut, ist der Geldmangel. „Wir leben hauptsächlich von Spenden, für orthodoxe Gläubige gibt es keine Kirchensteuer.“ Der Kirche fehle oft Geld für Reparaturen, die die Mitglieder der Gemeinde dann kostenlos erledigten.

Geht es ums Heiraten, so ist Wownjuk großzügig. „Wir haben oft Hochzeiten, bei denen einer der Partner nicht orthodoxen Glaubens ist.“ Die Kirchenregeln ließen dies eigentlich nicht zu, aber: „Ich bin da schon zu Kompromissen bereit.“ In anderen Fragen bleibt der Priester allerdings hart: Denn seine Kirche gehört der „Orthodoxen Kirche im Ausland“ an, und dort gibt es ein strenges Verbot, an den Gottesdiensten anderer Konfessionen teilzunehmen.

Über mangelndes Interesse seitens der Hamburger kann sich Wownjuk nicht beklagen. Zahlreiche Menschen rufen bei ihm an oder kommen vorbei, um mehr über die orthodoxe Kirche zu erfahren. Manche tappen bei solch einem Besuch aber auch ins Fettnäpfchen. So lobte ein deutscher Schüler erst kürzlich: „Sie haben da aber eine schöne Moschee!“