Im kleinen Grenzverkehr wird Kies zu Gold gemacht

■ Schweizer Baufirmen fördern billigen „Frischkies“ im benachbarten Elsaß. Die Aufarbeitung von Bauschutt im eigenen Land rentiert sich dadurch nicht

Krachend poltern Steine, Betonbrocken und Kies durch die 40 Tonnen schwere Sortiertrommel. Am Ende spuckt die zehn Meter lange Abfallanlage auf dem Gelände der Regio-Wiederverwertungsanlage (Rewag) im schweizerischen Kaiseraugst den Betonbruch fein säuberlich nach Größe und Qualität sortiert in verschiedene Container aus. Zehn Millionen Mark ließ sich der Zusammenschluß regionaler Bauunternehmen den Spaß kosten. Doch der Betonshredder wird 1996 statt der geplanten 60 Tonnen nur deren 15 verarbeiten. Auch die Endprodukte, neben Holz und Karton wiederverwendbare Steine, will niemand. „Unser Recyclingkies ist unverkäuflich, wir müssen ihn gratis abgeben“, erklärt Rewag-Geschäftsführer Arthur Gröflin.

Weil in Basel gegraben wird, ist der Preis für Naturkies so tief wie noch nie: Der Bau der Stadtautobahn Nordtangente fördert mehrere 100.000 Kubikmeter Kies zu Tage – Kies, der den ohnehin überschwemmten Markt strapaziert. „Statt 25 Franken pro Kubikmeter wird einem Frischware für fünf Franken nachgeworfen“, sagt der Bauunternehmer Mario Ziegler. Doch auch ohne die Großbaustelle hat recycelter Bauschutt kaum Chancen. Zu groß ist die Konkurrenz aus dem Elsaß.

Denn anders als die Behörden in der dichtbesiedelten Nordwestschweiz gehen die Nachbarn im Westen verschwenderisch mit ihrer Landschaft um. Großtechnisch werden riesige Kiesgruben abgebaut. Auch unter dem Grundwasserspiegel darf geschürft werden. In der Schweiz sind solche Praktiken seit jeher, in Deutschland seit kurzem tabu. Kommt dazu, daß französische 40-Tonner das Gut billig über die Grenze bringen dürfen, während Schweizer Transporteure an das 28-Tonnen-Limit gebunden sind.

Nutznießer der rüden Abbaupraxis sind zum einen die Elsässer Gemeinden, die fette Abbaulizenzen einstreichen. Zum anderen sind es aber auch die Schweizer Baufirmen selbst, die mit Tochterfirmen jenseits der Grenze operieren und sich so günstigen Kies beschaffen. Und weil sich die Aufarbeitung von Bauschutt nicht rentiert, führen die Schweizer auch den ungeliebten Abbruch zurück nach Frankreich — und füllen dort die Kiesgruben auf. Zwar untersagte die oberelsässische Präfektur vor einem Jahr den Schutthandel. Erlaubt bleibt aber die Deponierung von Erdaushub; 230.000 Tonnen waren es in den ersten sechs Monaten der neuen Regelung.

Für Axel Mayer, Geschäftsführer des BUND-Regionalverbands südlicher Oberrhein, benutzt die Schweizer Bauindustrie das Elsaß und Baden als „vorgelagertes Entwicklungsland“. Hier könnten günstig Rohstoffe geholt und Schutt deponiert werden. Auch im badischen Teil des Oberrheins, wo gerade noch zwei Prozent der Auen in naturnahem Zustand sind, wird nach Kies gebaggert. Mayer: „Selbst in Naturschutzgebieten wie etwa dem Wyhler Wald läuft das Geschäft weiter. Als nächstes soll jetzt der Auwald bei Breisach der Kieslobby geopfert werden.“ Pieter Poldervaart, Basel