Haft für Steinewerfer von Mahlow

Acht und fünf Jahre Gefängnis für zwei Rechtsextremisten, die im Juni drei Briten angriffen. Jugendkammer ging über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Ausländerfeindlichkeit erwiesen  ■ Aus Potsdam Florian Gless

„Juden und Nigger an die Wand“ hatte Mario P. im Haftraum des Potsdamer Landgerichts an die Wand geschmiert. Keine Einsicht in seine Tat, kein Verständnis für die Anklage. Gestern wurde er zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, sein Freund Sandro R. zu fünf Jahren. Da verging selbst Mario P. das häufige Grinsen, Sandro R. zeigte wie im ganzen Verfahren keine Reaktion. Die Jugendkammer des Landgerichts Potsdam unter Vorsitz von Claus Przybilla ging damit über die Anträge der Staatsanwaltschaft hinaus. Hintergrund des Anschlags auf die drei britischen – und schwarzen – Bauarbeiter in Mahlow sei „offene Ausländerfeindlichkeit“ gewesen. Die Kammer, so Przybilla, schäme sich mit dem Großteil der Brandenburger Bevölkerung und hoffe auf einen „hörbaren Aufschrei der Empörung über die ausländerfeindliche Tat“. Das Gericht folgte in der Urteilsbegründung der Darstellung von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Danach haben die beiden Angeklagten am Abend des 16. Juni im brandenburgischen Mahlow einen schweren Verkehrsunfall verursacht. Die Opfer waren drei Briten, einer von ihnen ist seitdem querschnittsgelähmt. Seine beiden Kollegen und Freunde kamen mit Schnittverletzungen davon. An diesem Sommerabend verfolgten Mario P. und Sandro R. in ihrem geklauten Golf VR6 und mit etwa 150 km/h den Jaguar der drei Briten auf einer schlecht befestigten Straße. Hier sind 50 km/h erlaubt. Als sie den britischen Wagen erreicht hatten, kurbelte Sandro R. sein Fenster herunter und schleuderte einen etwa sechs Kilo schweren Feldstein in das linke hintere Seitenfenster des Jaguar. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß dieser Steinwurf zu dem Unfall führte: Noel M., der Fahrer der Briten, kam von der Straße ab und verlor auf dem sandigen Seitenstreifen die Kontrolle über den Wagen. Der überschlug sich und prallte gegen einen Baum.

Die Angeklagten hatten bestritten, daß der Steinwurf etwas mit den Unfall zu tun habe. Vielmehr hätten die Briten sie nach dem Wurf verfolgt und seien aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit von der Straße abgekommen. Ein technisches Gutachten ergab aber in der Verhandlung, daß die Ausgangsgeschwindigkeit des Jaguar zwischen 80 und 110 km/h gelegen habe. Selbst ein unerfahrener Fahrer würde bei diesem Tempo nicht so einfach von der Straße abkommen. Auch die polizeiliche Rekonstruktion des Unfalls ergab, daß es nicht so gewesen sein kann, wie die Angeklagten behauptet hatten. An der Stelle, wo sie den Stein geworfen haben wollen – etwa 800 Meter vom Unfallort entfernt – hätte „selbst Michael Schumacher“ die Briten nicht einholen können, so der zuständige Polizeibeamte.

Vor Gericht wurden auch Mitglieder der Clique von Mario P. und Sandro R. gehört, die sich allabendlich am Mahlower Bahnhof traf und immer noch trifft. Sie ist in der 5.800-Seelen-Gemeinde stadtbekannt, weil sie Passanten anpöbelt und gelegentlich randaliert. Der chinesische Pächter eines am Bahnhof gelegenen Restaurants hat sich bereits mehrmals über rassistische Attacken beschwert. Doch nie wurde etwas gegen die Gruppe unternommen. Der Bürgermeister von Mahlow, Werner La Haine, hatte vor Gericht ausgesagt, er habe alle Beschwerden „ordnungsgemäß“ weitergeleitet, mehr könne er nicht tun. Mitglieder der Clique zeigten vor Gericht wenig Verständnis für die Anklage. Eine Zahnarzthelferin gab offen zu, daß sie „was gegen Ausländer“ habe. Richter Przybilla sprach anschließend von „erschreckender Offenheit“. Nur eine 14jährige hat sich nach dem Anschlag auf die Briten von der Gruppe gelöst.

Eines der Opfer hat inzwischen einen Brief an Mario P. und Sandro R. geschrieben. Darin heißt es: „Der Stein hat meinen Freund Noel verletzt. Sie haben den Stein aber auch auf Ihre Familien geworfen, auf Ihre Freunde, auf Mahlow, auf Ihr ganzes Land.“