Hohe Haftstrafen für Rechtsradikale

■ Landgericht verurteilt zwei junge Männer aus Mahlow bei Berlin für brutalen Anschlag auf britische Bauarbeiter

Potsdam (taz) – Die beiden Mahlower, die im vergangenen Juni einen Stein in das fahrende Auto britischer Bauarbeiter geworfen hatten, sind gestern von der Jugendkammer des Landgerichts Potsdam verurteilt worden. Der 24jährige Mario P. muß für acht Jahre, sein 18jähriger Freund Sandro R. für fünf Jahre ins Gefängnis. „Mildere Mittel des Vollzugs“, so der Vorsitzende Richter Claus Przybilla, „kommen nicht in Betracht.“

Das Gericht ging damit über die Anträge der Staatsanwaltschaft hinaus. Diese hatte für Mario P. sieben Jahre und neun Monate, für Sandro R. vier Jahre und neun Monate gefordert. Przybilla stellte das hohe Strafmaß aber in einen Zusammenhang mit dem Hintergrund des Verbrechens: „Während sich die Kammer zwischen 1991 und 1993 mit hinterhältigen und feigen Anschlägen auf Ausländerwohnheime beschäftigen mußte, werden ausländerfeindliche Angriffe in Brandenburg jetzt offen ausgeführt. Der Mahlower Vorfall hätte so auch in Potsdam, Cottbus oder Fürstenwalde geschehen können.“

Das höhere Strafmaß für Mario P. sei mit dessen „hoher krimineller Energie“ und dem „extrem negativen“ Verhalten nach der Tat zu erklären. Der 24jährige hatte möglichen Zeugen mit dem „Blick in eine abgesägte Schrotflinte“ gedroht und die Wände seiner Zelle im Landgericht mit rassistischen Sprüchen beschmiert. Beiden Angeklagten attestierte das Gericht „Ausländerfeindlichkeit“. Bei Sandro R. sei der „Erziehungsbedarf enorm“, er soll in der Haft therapeutisch betreut werden.

Dem Antrag der Nebenklage, die Angeklagten für „versuchten Mord“ zu verurteilen, gab das Gericht nicht statt. Eine Tötungsabsicht habe nicht eindeutig festgestellt werden können. Der Wagen der Briten sei nach dem Steinwurf gegen einen Baum geprallt, der Fahrer ist seitdem querschnittsgelähmt. Die „Gesamtschau der Indizien“ habe ergeben, sagte Przybilla, daß dieser Unfall gezielt herbeigeführt werden sollte. Der Steinwurf wäre dafür die Ursache gewesen. Die Angeklagten hatten dies immer bestritten.

Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil die Staatsanwaltschaft erst fünf Wochen nach dem Unfall und nach mehreren Zeitungsberichten, unter anderem in der taz, den Verdächtigen Mario P. festnehmen konnte. Der war damals schon lange stadtbekannt für seinen Haß auf Ausländer und galt als einer der Anführer einer Gruppe von agressiven Jugendlichen, zu der auch Sandro R. gehörte. Der Bürgermeister von Mahlow, der ebenfalls als Zeuge geladen war, gab an, er wisse nur von einigen Beschwerden von Bürgern, die sich von der Gruppe bedroht fühlten.

Die Außenwand des Landgerichts war in der vergangenen Woche mit der Parole „Freiheit für Sandro R.“ besprüht worden. Weitere Drohungen gegen die Prozeßbeteiligten habe es aber nicht gegeben, sagte der Sprecher des Landgerichts, Theo Horstkötter, zur Tat. Mehrere kurzrasierte Freunde der Angeklagten hatten das Verfahren im Gerichtssaal verfolgt und verließen den Raum demonstrativ während der Urteilsbegründung.

Przybilla fügte in einer Schlußbemerkung hinzu, das Urteil sei im Gedanken an einen „gerechten Schuldausgleich“ getroffen worden. Die Kammer habe nicht eine öffentliche Erwartungshaltung befriedigen wollen. Florian Gless Bericht Seite 5