„Du verspielst unser Vertrauen“

■ SPD-Fraktionschef Weber wegen Gewoba-Verkauf im Clinch mit Parteibasis

Er kann einem leid tun – der Christian Weber. Zur Zeit zieht der Fraktions-Chef der SPD durch die Ortsvereine und stellt sich der Basis. Aufklären soll er sie – ob die Teilprivatisierung von Gewoba und Bremische sinnvoll ist. Das Bürgerbegehren von 13.000 Stimmen treibt ihn um. Webers letzte Station: Ortsverein Mitte, Montag abend, Birkenstraße 18.

30 GenossInnen füllen den kleinen Raum. Eine Eistruhe brummt. Jemand zieht den Stecker aus der Dose. Die Stimmung ist geladen. Weber betritt den Raum. Und dann legt der Fraktions-Chef los: Über die Schuldenkrise des Landes schwadroniert er, über kaputte Schulen und daß es darum keine Alternative zu einer Teilprivatisierung gibt. Wie einen Schutzschild baut Weber dieses Szenario vor sich und seinen Argumenten auf. Nicht zu Unrecht.

Ein Sturm der Entrüstung bläst dem Fraktions-Chef entgegen. „Wenn Du so weitermachst, verspielst du unser Vertrauen“ oder „Du ziehst durch die Gegend wie ein fliegender Teppichhändler und verhökerst den sozialen Wohnungs bau“ – harte Attacken gegen den einsamen Mann auf dem Podium.

Weber versucht zu beruhigen, zu erklären. Später merkt man auch ihm, dem erfahrenen Polit-Profi, die Aufregung an. Der Tonfall wird lauter, Vorwürfe gegen Vorwürfe: „Es wird nur in Wunden herumgebohrt. Keine konstruktive Kritik!“ Weber keilt zurück wie ein in die Enge getriebenes Reh. Und immer wieder die beschwörenden Formeln: „Es gibt keine Alternative zu dem Verkauf. Die Mieten werden nicht mehr steigen als jetzt auch.“ Keiner müsse befürchten, seine Wohnung zu verlieren. Alles reine Panikmache. Doch da ist der Koalitionsbeschluß, 49,9 Prozent der Gesellschaften zu verkaufen. Ungeklärt die Frage des Stichentscheids: Wie weit darf der private Investor die Unternehmenspolitik bestimmen? Zwar gibt es einen Beschluß des Parteitags dagegen. Aber die CDU beharrt auf dem Letztentscheid für den Investor. Die Angst gärt und wird geschürt.

Horst Engelmann vom Bremer Mieterverein sitzt ebenfalls auf dem Podium. „Es gibt einen Handlungsspielraum bei den Mieten zwischen einer Landesgesellschaft und einem privaten Besitzer.“ Erhöhte Gewinnausschüttung, prognostiziert Engelmann, werde sich auf die Mieten niederschlagen. Ein bis zwei Mark pro Quadratmeter seien realistisch. Die Anwesenden im Raum, sie fangen an zu rechnen. Was ist mit meiner Miete?

Und was ist mit der sozialen Bindung vieler Gewoba-Wohnungen? Engelmann trampelt weiter auf Christian Webers Nerven herum: Bis zum Jahr 2000 sind 70 Prozent bindungsfrei. Wieder steigende Mieten, mehr Menschen mit Anspruch auf Wohngeld. „Das sind Mehrausgaben, die wieder das Land tragen muß.“ Engelmann bohrt weiter: Mit welcher Stimme Bremen künftig bei der Gewoba Entscheidungen treffe. „Mit einer einheitlichen oder kann die CDU mit dem Privatinvestor gegen die SPD stimmen?“ Nein, der Verkauf sei ein großer Fehler.

Ein Genosse springt auf, gibt ihm recht. Karl-Heinz heißt er und hält Weber einen zehnminütigen Vortrag über Aktienrecht. Tenor: Bei einer AG laufe dem Land die Kontrolle über die Gewoba aus dem Ruder. Ein künftiger Vorstand sei an das Aktienrecht gebunden und zu einer Gewinnmaximierung verpflichtet. Einwendungen des Landes dagegen seien quasi illegal. Das Publikum raunt. Zudem gebe das Land einen weiteren entscheidenden Standortvorteil auf. Das Stichwort: „Schornsteinwirkung.“ Die ZuhörerInnen merken auf. Was ist das nun wieder? Genosse Karl-Heinz erklärt's ihnen. „Wenn die teilprivate Gewoba mit ihren 40.000 Wohnungen leichte Mietsteigerungen durchsetzt, hat das eine enorme Sogwirkung auf den kompletten Mietenmarkt in Bremen.“ Bremen blute aus, malt er ein dramatisches Bild. Der Mann ist so richtig wütend.

Auch der Zweck des Verkaufs ist umstritten unter den Zuhörern. Wohnungen von zigtausend Menschen würden aufs Spiel gesetzt für „idiotische“ Projekte wie die Weserpromenade, die durch die vierspurige Martinistraße ohnehin „tot“ sei. Außerdem müssen sich Weber, die SPD-Fraktion und überhaupt die gesamte Regierung vorwerfen lassen, sie täten nichts gegen die Ursache. Durch die Wohnortbesteuerung „gehen die Stadtstaaten den Bach runter“. Da seien die Politiker gefordert. Mit Hamburg und Berlin an einem Strick ziehen, lautet plötzlich die Devise im Raum.

Richtig blaß wird Weber aber, als ihm ein altgedienter Genosse, seit 1961 Gewoba-Mieter, mit belegter Stimme prophezeit, was der „Ausverkauf des sozialen Wohnungsbaus“ in der SPD-Hochburg in der Vahr auf die Wählerschichten ausmacht. „Ihr richtet euch selbst zugrunde. Das Wählerpotential der rechten Parteien wird enorm steigen. Das ist eure Schuld. Verraten und verkauft“ fühlt er sich.

Zum Schluß muß gar Fraktionskollege Peter Sörgel einspringen. Dem Verriß seines Chefs kann der arbeitspolitische Sprecher nicht weiter still zusehen: „Es geht hier nicht mehr ums Wollen. Wir müssen die Gewoba verkaufen. 600 Millionen Mark für die Vulkan-Bürgschaften müssen eingelöst werden. Wir können nur noch dafür sorgen, daß die Gewoba nicht irgendeinem Miethai anheim fällt.“ Dankbar nimmt Weber das Rückzugsgefecht an. „Bremen zahlt 1,2 Milliarden Mark jährlich Zinsen. Das entspricht dem Etat von Bildungssenatorin Kahrs“, beschwört er noch einmal die GenossInnen. „Trotzdem müssen beispielsweise die Schulen saniert werden. Es geht nicht, daß ganze Trakte geschlossen werden, weil es durchs Dach tropft. Wir brauchen den Stadterneuerungsfonds.“ Dahin sollen die 100 Millionen Mark für die Gewoba-Anteile fließen.

Und darum legt Christian Weber, Fraktions-Chef der SPD Bremen, noch einmal sein ganzes Charisma in die Stimme: „Liebe Genossen, es gibt keine Alternative zum Verkauf unserer Wohnungsgesellschaften...“ Jens Tittmann